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Kultur: Alles drüber

Marek Janowski dirigiert „Lohengrin“

Selten wohl hat ein Chefdirigent dem Publikum mit einer pädagogischen Maßnahme so viel Freude bereitet: Als sich Marek Janowski entschloss, mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin die zehn großen Opern Wagners zu bezwingen, wollte er die „geistige Beweglichkeit“ der Musiker weiterentwickeln. Mit dem „Fliegenden Holländer“ ging es los – und inzwischen lässt sich auf CD nachhören, warum Janowskis konzertante Aufführungen in der Philharmonie stets Saisonhighlights sind. Als strenger Orchestererzieher legt er größten Wert auf Präzision. Das kann dressiert klingen – im Idealfall aber entfalten gerade die Violinen eine erregend-elektrisierende Wirkung.

So auch nun wieder am Sonnabend: Viereinhalb Stunden Hochspannung, gefolgt von Ovationen für einen „Lohengrin“, wie man ihn sich festlicher, klangmächtiger kaum denken kann. Befreit aus dem Korsett des Gesamtkunstwerks, ohne den im Theater üblichen „Regiequark“ (Janowski), wächst die mittelalterliche Mär von Elsa und ihrem Schwanenritter ins Riesenhafte. Elke Heidenreichs Wort von der Musik, die uns umgräbt, hier wird’s Ereignis.

90 Köpfe zählt der personell aufgestockte Berliner Rundfunkchor, der sich bequeme Stühle statt der üblichen Bänke erbeten hat, um alle Kräfte auf den Gesang fokussieren zu können. Und tatsächlich: Wenn sich vokale und orchestrale Massen im Fortissimo verbinden, erfüllt Glanz den Saal, nicht Dröhnen. Als wollten sie mit dem Messing blankpolierter Pickelhauben konkurrieren, strahlen die Herren, jungfräulich flöten die Damen beim Hochzeitsmarsch. Intensiv hat der Bayreuther Chordirektor Eberhard Friedrich mit den Profis gearbeitet, für die Musiktheater ebenso eine Repertoireausnahmesituation darstellt wie für das Konzertorchester RSB.

Festspielniveau auch bei den Solisten: Vorbildlich textverständlich Markus Brücks Heerrufer, von ehrfurchtgebietender Majestät Günther Groissböcks König Heinrich. Wenn Annette Dasch ihr „einsam in trüben Tagen“ singt, ängstlich, aber mit jenem inneren Leuchten, das von reinen Seelen ausgeht, dann rührt das unendlich an – nach all der Kernigkeit, mit der die Recken zu Beginn auftrumpfen. Und Klaus Florian Vogts Lohengrin umgibt in den leisen Passagen eine knabenhafte Süße, bei der Verabschiedung des Schwans gar ein Hauch Heintje. Wenn er aber losschmettert, tut er es wie „die Trompete Gottes“. Geifernd treibt Susanne Resmarks Ortrud ihren Telramund ins Verderben, den Gerd Grochowski als fehlgeleiteten Intellektuellen zeigt. Und über allem waltet Marek Janowski als Gefühlsweltenlenker, der mit jeder seiner Gesten anzuzeigen scheint: Bei mir könnt ihr es wagen, ihr Geknechteten des Regietheaters! Glotzt ruhig romantisch! Frederik Hanssen

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