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Kultur: Alles echt

Wie ein Hype entsteht: Florian Süssmayr zeigt neue Gemälde in der Berliner Galerie Johnen

Florian Süssmayr wurde über München hinaus bekannt, als das Haus der Kunst im März ein Missverständnis per Pressemitteilung ausräumen wollte. Süssmayrs Werk würde nicht – wie irrtümlich verbreitet – von der First-Class-Sammlerin Ingvield Goetz gesammelt, sondern von Stephan Goetz/goetzpartner. Überdies beabsichtige Frau Goetz auch nicht, Werke des Künstlers zu erwerben. Sofort schaltete sich ein anderer Sammler in die Diskussion ein, der den Eindruck gewonnen hatte, Süssmayr plündere bei anderen Malern – woraus sich ein weiteres Missverständnis ergab, das wiederum öffentliche Diskussionen nach sich zog. Süssmayr war in aller Munde. Und sogleich fragten sich jene, die den 1963 in München geborenen Künstler gar nicht kannten: Was kauft denn nun Herr Goetz, was Frau Goetz partout nicht will? Denn die Sache wurde just in dem Moment publik, als Süssmayrs Malerei in München gleichzeitig im Haus der Kunst, dem Lenbachhaus und in der Galerie Rüdiger Schöttle ausgestellt war. Zuvor waren die Preise verdoppelt worden. That’s Hype.

In der aktuellen Ausstellung der Galerie Johnen sind die Gemälde Süssmayrs erstmals in Berlin zu sehen. Manche Rezensenten sehen in der Malerei einen attraktiven Mix aus Adolph Menzel und Nan Goldin, nennen seine nächtlichen Straßenszenen „ungeschönt, geheimnisvoll, poetisch“ und halten den Maler für den „neuen Stern am Münchner Himmel“. Da aber in München immer etwas leuchtet, konnte man zunächst nur sehen, dass sich die Kuratoren der bayrischen Hauptstadt auf einen weiteren Künstler neben Andreas Hofer und Michael Sailstorfer für den Export geeinigt haben.

Oft wird Süssmayrs Biografie bemüht, um die Inhalte in der Malerei zu untermauern. Zunächst habe er in einer Punk-Band gespielt, sei bei dem Filmer Romuald Karmaka Beleuchter gewesen und sei nicht nur Fußballfan, sondern auch zwanzig Jahre lang Mittelfeldspieler einer fröhlich aufspielenden Gurkentruppe. Als Künstler kultiviert er gleichwohl eine Prolo-Rolle zwischen Aktivist, Bohemien und Schiffschaukelbremser und wolle gleich den Malern vor hundert Jahren das sammelnde Bürgertum schocken. Die Motive kommen aus einer kleinen Welt: Fußball-Szenen, Wirtshäuser, Graffitis auf Tischen des Hofbräuhauses, Quittungen von Bierkneipen in Öl auf Leinwand. „Hier ist alles echt“, schreibt ein Rezensent. Die Art, wie er die düsteren Farben setzt, erinnert mal an B-Versionen von Leistikov, Ury und Doukupils Kerzenrauchbilder, mal an dunkle Skripturen des frühen Twombly und Rauschenberg. Und sucht man, worin bei Süssmayrs Antiquitäten das Zeitgenössische versteckt sein mag, findet man es nur in den Inhalten. Die Gegenwart liegt in Reportagen von Massenveranstaltungen, nicht in der Art der Malerei. Was er malt, kann auch fotografiert werden. Neuer Wein in alten Schläuchen (Preise zwischen 2800 Euro und 27000 Euro).

Die Galerie findet hingegen den Kern im Exzess. „In der Malerei verschmelzen Orte, Menschen und Emotionen zu einer starken Bewegung aus Dunkelheit und Licht. Die Bilder konfrontieren mit der Erfahrung von Ekstase und Rausch.“ Das trifft zu. Man sieht Szenen sexueller Entgrenzung, Hooligans, Oktoberfest, Rockmusik und entfesselte Vitalität. Doch der Exzess bleibt bloße Äußerlichkeit.

Süssmayr malt das Rausch-Milieu und passt zum neuen Lokalismus. Man will der Leipziger Malerei, dem Dresden Pop und den Young British Artists ein neues regionales Label hinzufügen. München hat sich institutionell hervorragend aufgestellt und Süssmayr ist für die WM 2006 gerüstet. Fußball all over; auch in seinen Bildern. Und so träumt man an der Isar von einem harten Kick and Rush: Young Bavarian Artists für die Champions League!

Galerie Johnen, Schillingstraße 31; bis 30. Juli; Dienstag bis Sonnabend 11–18 Uhr.

Peter Herbstreuth

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