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Kultur: Alles Gold, was glänzt

Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt Tutanchamuns Grabschätze

Ein bedeutender Herrscher war er zu seiner Zeit nicht, doch noch 3327 Jahre nach seinem Tode zieht sein Name die Menschen in ihren Bann. Tutanchamun bestieg mit acht Jahren den Pharaonenthron und starb 18-jährig. Wenig wüssten wir von diesem ägyptischen Herrscher, hätte nicht der englische Archäologe Howard Carter 1922 sein Grab entdeckt, das als einziges von 62 Gräbern im „Tal der Könige“ bei Luxor nahezu vollständig erhalten geblieben war.

Damals löste die Nachricht vom sensationellen Fund des Pharaonengoldes eine weltweite Ägyptenbegeisterung aus, die bis in das Kunstgewerbe hinein wirkte – mit einem neuen Stil, dem „Art Deco“. Zahllose Wissenschaftler, Ägyptenreisende und Literaten ließen sich begeistern vom todbringenden „Fluch des Pharao“ (der sich längst als Legende erwiesen hat).

Seither entzündete sich die Fantasie ganzer Epochen am Gold der insgesamt 2700 Grabbeigaben für die Jenseitsreise des jungen Gottkönigs. Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt diese Schätze aus dem Ägyptischen Museum in Kairo jetzt ein halbes Jahr lang unter dem Titel „Das goldene Jenseits – Tutanchamun – Grabschätze aus dem Tal der Könige“.

Auch in Bonn glänzt überall Gold; als Farbe der ewigen Sonne symbolisierte es im alten Ägypten die Wiedergeburt im Jenseits. Die bemerkenswerte Fülle der Grabschätze, die aus den Jahren 1427 bis 1323 vor Christus stammen, ist chronologisch angeordnet. Ein Parcours führt nach den Uschebti (Totenfiguren), den Königsfiguren, Ritual- und Scheingefäßen, Anch-Symbolzeichen aus blauer Fayence, vorbei am vergoldeten Thron der Prinzessin Satamun und hölzernen Modellbooten erst ganz am Ende zu Tutanchamun. Das Ägyptische Museum verlieh 50 Exponate aus seinem Grab nach Bonn, darunter den reich verzierten Eingeweidesarg, das goldene Diadem mit realistisch gearbeitetem Geier- und Schlangenkopf sowie die Königliche Kanopenbüste. Ergänzt sind diese Pretiosen um 70 weitere Stücke aus anderen Gräbern und den umliegenden Tempeln, die einen Zusammenhang zur 18. Dynastie der ägyptischen Herrscher (1550 bis 1292 vor Christus) herstellen.

So konnte man Objekte aus Tutanchamuns Kammer, die nicht mit nach Europa reisen durften, durch gleichwertige Grabbeigaben ersetzen: etwa das große Modell eines Schiffs, das den Pharao in die Unterwelt tragen sollte, durch ein Exemplar des Königs Amenophis II. (1427 bis 1440 vor Christus); die berühmte Totenmaske des Pharaos durch die filigrane, mit Gold belegte Maske der Tuja, der Schwiegermutter von Amenophis III. (1390 bis 1335 vor Christus). Zu den auffallenden Prunkstücken zählt auch ihr vergoldeter Mumiensarg, den reliefierte Schriftbänder und Figuren überziehen.

Die Exponate sind in Bonn hervorragend inszeniert, ausgeleuchtet und erklärt, so dass sie eine nahe, intensive Betrachtung gestatten. Ein computeranimierter Film führt in die Geschichte ägyptischer Grabmalskunst ein. Eine interaktive Installation macht es dem Besucher leicht, sich spielerisch mit den Bauten am Nil vertraut zu machen. Höhepunkt der Ausstellungsdidaktik ist wohl im Zentrum des Ausstellungssaals eine Rekonstruktion der Grabkammer mit ihren Wandgemälden, die einen physischen Eindruck vermittelt, was Carter vorgefunden hat.

Nach der legendären Tutanchamun- Tournee vor über 20 Jahren durch Paris, London und Köln hatte das ägyptische Parlament eine Ausreisesperre für das nationale Kulturerbe verhängt. Eine Holzstatue war auf der deutschen Station beschädigt worden. Doch die Aussicht, die aufwändigen Grabungen und Restaurierungen und insbesondere einen dringend benötigten Museumsbau in Kairo zu finanzieren, bewog den Staat am Nil doch noch einmal, die antiken Kostbarkeiten auf Weltreise zu lassen. Wer das weiß, wird womöglich Verständnis dafür aufbringen, dass sich der reguläre Eintrittspreis auf 12 Euro erhöht hat.

Die Schau wird im nächsten Jahr noch in die Vereinigten Staaten und nach London reisen. Zuvor lockte sie schon in Basel mehr als 600000 Ausstellungsbesucher an. Mit Wartezeiten ist also auch vor den Toren der Bonner Bundeskunsthalle zu rechnen. Aber dies ist ein Wimpernschlag im Vergleich zur Zeitrechnung, die dann angesichts der Schätze Altägyptens zählt.

Bonn, Bundeskunsthalle, noch bis 1. Mai 2005; Katalog 26 Euro.

Michael Krajewski

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