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Kultur: Alles im Fluss

Gegen jede Erwartung hat sich gerade der internationale Kunstmarkt nach den Ereignissen des 11. September als sichere Investition erwiesen.

Gegen jede Erwartung hat sich gerade der internationale Kunstmarkt nach den Ereignissen des 11. September als sichere Investition erwiesen. Deshalb ist die Stimmung auf der diesjährigen ARCO Madrid, die am Dienstag endet, an den ersten Messetagen mehr als optimistisch. "Europa ist nicht die USA", fasste die Leiterin der ARCO Rosina Gómez-Baeza Tinturé, die Situation bei der Eröffnung zusammen. Überdies sei der Aufwärtstrend des Kunstmarkts in Spanien insgesamt ungebrochen. In den letzten zehn Jahren habe sich die Zahl der Auktionshäuser verdoppelt. Korporative Sammlungen seien dazu übergegangen, nicht nur kontinuierlich Kunst zu erwerben, sondern sie auch in Stiftungen zu institutionalisieren und in eigenen Häusern öffentlich zugänglich zu machen.

Da die gute Marktlage wie selbstverständlich vorausgesetzt wird, hat die Leiterin alles dafür getan, die ARCO nicht nur zu einem Umschlagplatz für Waren, sondern auch für Ideen zu machen. Die 261 Galerien stellen neben maßgeblichen spanischen Kunstinstitutionen dieses Jahr in größeren Hallen aus. Speziell gestaltete chillouts von verschiedenen Designern und breite Magistralen strukturieren die Kojen als Plätze, Boulevards und Seitenstraßen. Man kommt immer wieder auf einen offenen Platz mit Cafés, Bänken oder Pavillions. Die Stadtarchitektur der romanischen Länder wurde klug auf die Messearchitektur übertragen. Neben den 102 Galerien aus Spanien dominieren Argentinien, Brasilien, Mexico und der Süden Europas mit Frankreich, Italien, Portugal. Obwohl allein aus Deutschland 22 Galerien teilnehmen, spielt der Norden eine untergeordnete Rolle.

Wohl um das Übergewicht des Südens auszugleichen, ließen die Veranstalter die Kuratoren Jerôme Sans und Hou Hanru Galerien und Künstler ihrer Wahl zu Sonderkonditionen einladen. Entstanden sind quicklebendige Orte mit jüngster Kunst. Aus Berlin gehören Asian Fine Arts, Chouakri Brahms, Nothelfer, Juliane Wellerdiek und Wohnmaschine zu den Priviligierten. Die Berliner Michael Schulz und Vostell nehmen regulär teil und Carlier Gebauer hat als Stammgast nicht nur einen zusätzlichen Projektraum, sondern auch eine der auffälligsten Kojen am Boulevard.

Neben dem Kuratorenprogramm hat die von Madrid gut alimentierte ARCO dieses Jahr ein Veranstaltungsprogramm mit Symposien und Vorträgen initiiert, das auf einer Messe ohne Beispiel ist. Anderswo würden die knapp vierzig Veranstaltungen zu aktuellen Fragen zeitgenössischer Kunst mit der jungen Prominenz der Kunstwelt von Hans Ulrich Obrist über Antonio Zaya und Barbara Steiner bis Daniel Birnbaum und Maria Lind pompös Kongress genannt. Hier ist es Beiprogramm, an dem aus Berlin mit Peter Klaus Schuster, Klaus Biesenbach, Christoph Tannert, Jens Hoffmann und Natascha Sadr Haghighian eine bunte Mischung teilnimmt. Die lange Liste von Akteuren aus Tokyo, Sao Paulo, New York und Basel liest sich wie ein who is who der zeitgenössischen Kunstszene. Ein kluger Schachzug der Messeleitung, der die ARCO zum gesellschaftlichen Ereigniss macht: Der König von Spanien eröffnete die Schau und ging vier Stunden mit den Notablen der Stadt von Stand zu Stand.

Zwar handelt es sich bei der Kunst auf der ARCO auch dieses Jahr nicht immer um das Top-Segment des Handels, wie auf der Art Basel, auch nicht um die Spitzen junger zeitgenössischer Kunst, wie auf dem Berliner Artforum, sondern eher um eine optimierte Art Cologne des Südens mit dem besten Begleitprogramm, das eine Messe je auf die Beine gestellt hat. Markt heißt hier: Alles soll im Fluss bleiben, nichts stocken und erstarren. Das ist der Fall. Alles ist im Angebot und ein Trend nicht sichtbar. Gut so.

Peter Herbstreuth

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