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Kultur: Alles im selben Fluß

Acht Jahre ist es her, daß im Künstlerhaus Bethanien eine Ausstellung namens "Ceterum Censeo" eröffnete.Der Titel - dem alten Römer Cato abgeschaut, der seinen Zerstörungsappell in Sachen Karthago immer wieder mit den Worten "Übrigens bin ich der Meinung" einleitete - war als Sezession zur Ankaufspolitik der Berlinischen Galerie gedacht.

Acht Jahre ist es her, daß im Künstlerhaus Bethanien eine Ausstellung namens "Ceterum Censeo" eröffnete.Der Titel - dem alten Römer Cato abgeschaut, der seinen Zerstörungsappell in Sachen Karthago immer wieder mit den Worten "Übrigens bin ich der Meinung" einleitete - war als Sezession zur Ankaufspolitik der Berlinischen Galerie gedacht.Während deren Depots damals von neoexpressiven Bilderleichen überquollen, stellte sich eine konzeptuelle Künstlergeneration vor, die Beiläufigkeit mit Entschiedenheit verbindet.Einige der Teilnehmer an der mittlerweile Legende gewordenen Ausstellung sind berühmt geworden; andere sind in der Versenkung verschwunden.Wenn es eine Vorgängergeneration für das gibt, was neuerlich unter "Kunst aus Berlin" firmiert, dann ist sie mit den Namen von damals - etwa Maria Eichhorn, Knut Bayer, Hans Hemmert oder P.T.T.Red - verbunden.

Es mag die problematische Ausrichtung auf einzelne Künstler gewesen sein, die die Initiatorin der Ausstellung, Ursula Cyriax, dazu veranlaßte, die Nachfolgeschau nun im Berliner Marstall mit verändertem Konzept stattfinden zu lassen: "Ceterum Censeo" stellt diesmal nicht mehr einzelne Künstlerpositionen vor, sondern präsentiert die maßgeblichen Institutionen der Off-Szene - ob es sich nun um Produzentengalerien, Verlage, Labels oder Clubs mit Kunstanschluß handelt.Damit reagiert das Projekt auf die veränderte Situation der Berliner Kunstszene und behauptet sich durchaus als Avantgarde unter den Ausstellungen.

Das messeähnliche Konzept verhindert zum einen den direkten Zugriff des Kunstbetriebs auf das zu vermarktende Einzelschicksal des Künstlers; es wird nicht mehr das Rohmaterial der jüngsten Künstlergeneration ausgestellt, sondern der Diskurs der Institutionen, in dem sie aufwächst.Zum anderen entspricht die Ausstellung der Institutionalisierung der Subkultur, die in den letzten Jahren zu beobachten war; eine Off-Galerie arbeitet heutzutage so professionell wie ein Museum.Das Off der Szene zeichnet sich heute nicht mehr durch seinen programmatischen Kontrast zu Museen aus, sondern durch das gekonnte Manövrieren zwischen Kunstbetrieb und Spaßvergnügen.

Es geht um die Kunst des Weder-Noch.Auch die Liste der Projekte, die zum Selbstkostenpreis an der Off-Messe teilnehmen, spricht dafür, die Grenze zwischen Hoch- und Subkultur zu vergessen: Vom bereits am Museumsbetrieb teilnehmenden Büro Friedrich und dem ID Verlag reicht die Liste über klassische Off-Projekte wie Loop, Shift e.V.oder die Galerie Koch & Kesslau bis hin zu obskuren Szene-Gewächsen, wie sie das Bankprojekt Bertram Abel oder "Die glücklichen Arbeitslosen" sind.Bei der Auswahl der Kuratoren greifen jedoch herkömmliche Ausschlußmechanismen, so daß geistreiche Projekte wie Ralf Schmitts "Förderkoje" oder charmante wie die "Rampe 002" nicht teilnehmen.

Gemeinsam aber ist allen Projekten, daß sie sich nicht mehr auf der anderen Seite des Flusses befinden, wie die alternativen Projekte der siebziger und achtziger Jahre.Die Institutionsfiktion der Neunziger schwimmt im gleichen Fluß wie der Rest der Kulturindustrie.Daher ist es angebracht, wenn das Jammern der Subkultur in der Ausstellung ebenso vermieden wird wie das Pathos der Peripherie.Im Marstall herrscht gute Laune trotz Selbstausbeutung.Es gleicht einem kleinen Wunder, daß unter den Institutionen der Off-Kultur angesichts der Präsentation und Plazierung der Projekte Einigkeit erzielt werden konnte.Es gibt im Marstall nicht ein Gemetzel der Randgruppen, sondern eine souveräne Schau selbstbestimmter Projekte.Es ist das Spezifische und Selbstverantwortete jedes einzelnen, das einem Respekt abfordert.

Auch die Ausstellung selbst funktioniert wunderbar.Von den Installationen und Videos, den Kojen und bespielten Räumen ist aller Aufwand abgeperlt - trotz des Zwergen-Etats von nur 50 000 Mark.Die einzelnen Projekte wirken lockerer und zwangloser als das Museum, direkter und unabhängiger als eine wirkliche Messe.Es gibt Öffnungszeiten bis Mitternacht und Programm fast rund um die Uhr.Man hat schnell das Gefühl, daß von den falschen Institutionen all das richtig gemacht wird, was die richtigen falsch machen.Das einzige Problem der fulminanten Low-Budget-Ausstellung besteht tatsächlich darin, daß ihre gespielte Professionalität als Beweis für die fragwürdige These herhalten mag, daß man Künstlern nur das Geld wegnehmen muß, damit sie gut arbeiten.

Galerie im Marstall, Schloßplatz 7, bis 25.Oktober; täglich 14-19 Uhr, Veranstaltungen täglich 20.30-24 Uhr.

KNUT EBELING

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