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Kultur: Alles wird besser

Unlängst ging der Fall eines - lesbischen - Elternpaares durch die Medien, das, selbst gehörlos, für den Nachwuchs das Recht auf gleiche Behinderung durch Zuchtwahl durchsetzte. Kann Taubsein glücklich machen?

Unlängst ging der Fall eines - lesbischen - Elternpaares durch die Medien, das, selbst gehörlos, für den Nachwuchs das Recht auf gleiche Behinderung durch Zuchtwahl durchsetzte. Kann Taubsein glücklich machen? Ist Behinderung auch eine - bereichernde - Qualität? Und was bedeutet das für das Zusammenleben mit anderen?

Bei diesen Fragen setzt auch "Ich bin Sam" an. Sam ist Autist - und allein erziehender Vater. Fast unbefleckt ist er zum Kinde gekommen, mit nachbarschaftlicher Hilfe zieht der bekennende Beatles-Fan sein Töchterchen Lucy groß. Das geht so lange gut, bis das süße und kluge Kind an Schul- und Weltweisheit den Vater überrundet, dessen Intelligenz auf dem Niveau einer Siebenjährigen stagniert. Als die Sozialbehörden ihm Lucy wegnehmen wollen, braucht Sam Rechtsbeistand. Den findet er bei einer erst widerwilligen Staranwältin.

Den Lauf der Dinge kann man sich mit ein bisschen Hollywood-Erfahrung selbst weiterspinnen: Eine gespenstisch puppengesichtige Michelle Pfeiffer muss die stadtneurotische Karrieristin ausstellen. Auch Rita hat einen - vernachlässigten - Sohn. Und einen Porsche. Und einen Therapeuten. Doch ihre emotionalen Defizite heilt erst der debile Mandant.

Hollywood mag Behinderte, spätestens seit Dustin Hofmann als autistischer "Rain Man" 1988 für Rührung sorgte. 1994 machte "Forrest Gump" aus der Dummheit eine Staatsaffäre und den Deppen zum Helden der Nation. Auch "Ich bin Sam" postuliert die geistige Einfalt als Heilmittel gegen Materialismus, Kälte und Karrieresucht. Dabei wird die Frage, ob ein Mann wie Sam ein Kind aufziehen kann und dürfte, zwar laufend debattiert, aber nie wirklich gestellt. Dabei ist die negative Antwort offenkundig - schließlich kann Vater Sam nicht einmal ein simples Frühstück im Restaurant bestellen, ohne in die Bredouille zu geraten.

"Ich bin Sam" ist ein Propagandafilm dafür, dass Minderbemittelte immer herzensgut sind. Dass gesunder Menschenverstand alles regeln kann. Dass Blutsbande höher gelten als sozialarbeiterisches Getue. Und Liebe sowieso über allem steht.

Co-Autorin und Regisseurin Jessie Nelson ("An deiner Seite", "Seite an Seite") setzt auf unmittelbar emotionale Ansprache, der Plot dient nur als Vorwand zur Erzeugung solch gefühlsgeladener Situationen. So unwichtig wird die Handlung, dass sich Buch und Regie am Ende nicht mal mehr die Mühe machen, die Geschichte sauber aufzulösen. Und gesellschaftliche Zusammenhänge kommen in diesem Film erst recht nicht vor.

Ob das funktioniert, zumindest gefühlsmäßig? Im Prinzip vielleicht schon, in der deutschen Fassung bestimmt nicht. Denn zwischen das deutsche Publikum, Held Sam und seinen Darsteller Sean Penn schiebt sich als kaum überwindbare Barriere die quengelnd-nervtötende Synchronstimme, die man dem Schauspieler verliehen hat. So vergessen wir in keinem Moment, dass wir synthetische Industrieware geniessen. Einfühlung kommt da nicht auf. Auch Sean Penns oscar-nominierte Schauspielkunst lässt sich da nicht recht genießen. Ein Trost: Ästhetische Distanz ist produktiv.

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