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Kultur: Allzu pathetisch stellt sich die Friedensnobelpreisträgerin aus Guatemala dar

Noch vor wenigen Jahren war Guatemala ein Land im Ausnahmezustand. Das Militär unterdrückte jede Form der Opposition, und Folter, Mord und politische Gewalt waren allgegenwärtig.

Noch vor wenigen Jahren war Guatemala ein Land im Ausnahmezustand. Das Militär unterdrückte jede Form der Opposition, und Folter, Mord und politische Gewalt waren allgegenwärtig. Erst 1996 endete der Bürgerkrieg zwischen Regierung und linker Guerilla, der das Land 36 Jahre in Angst und Schrecken versetzt hatte. Mehr als 150 000 Menschen verloren dabei ihr Leben.

Seit drei Jahren schweigen die Waffen, und die Todfeinde von einst haben sich unter internationaler Beobachtung auf den schwierigen Weg des Friedens und der parlamentarischen Demokratie begeben. Ohne Rigoberta Menchú Tum, die guatemaltekische Friedensnobelpreisträgerin von 1992, wäre dieser Übergang kaum denkbar gewesen. Seit ihrer Ehrung im "Kolumbusjahr" konnte die Regierung die Stimme der kleinen Maya-Frau nicht mehr völlig ignorieren. Ihr Name und damit die gesamte Opposition hatte neues Gewicht bekommen, zumal die internationale Öffentlichkeit ihren Blick auf das vergessene Land richtete und die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen anzuprangern begann.

Mit großen Erwartungen durfte man auf Rigoberta Menchús Erinnerungen gespannt sein, besonders da ihr erstes Buch heftig durch den amerikanischen Anthropologen David Stoll attackiert worden war. Stoll hatte ihr nach akribischer Recherche in der New York Times vorgehalten, Teile der eigenen Lebensgeschichte verfälscht zu haben. Ihr Rückblick auf die bitteren Jahre der Verfolgung, des mexikanischen Exils und der beharrlichen und oftmals frustrierenden Lobbyarbeit bei den Vereinten Nationen geht auf die Kritik nicht ein. Überhaupt bleibt ihre farblose Autobiografie vieles schuldig. Ungewöhnlich ist das hohle Pathos in der Stimme der sonst so bedächtigen Streiterin, das sogar in moralischen Hochmut gegen die ausländischen "Parasiten der Gesellschaft" überschlägt.

Nur in seltenen Fällen sind die Geschichten der Menschenrechtsaktivistin ähnlich pointiert und bissig wie in den Passagen über ihren politischen Leidensweg im diplomatischen Dickicht der Vereinten Nationen. Unterhaltsam und eindringlich schildert sie ihren Kampf gegen pedantische Beamte, Pass- und Protokollvorschriften, die ihr wie vielen anderen Vertretern indigener Menschenrechtsgruppen die Lobbyarbeit so schwer machen.Rigoberta Menschu: Enkelin der Maya. Autobiografie. Lamuv, Göttingen 1999. 36 DM.

Dietmar Süss

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