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Kultur: Als unterhaltsamer Führer für romantische Stunden empfiehlt sich ein neues Taschenbuch - dabei geht es hier hauptsächlich um Sex

Überall geschäftiges Handyklingeln. In den neuen Bürotürmen brennt das Licht bis tief in die Nacht.

Überall geschäftiges Handyklingeln. In den neuen Bürotürmen brennt das Licht bis tief in die Nacht. Kein Zweifel, in dieser Stadt wird jetzt Business gemacht. Aber zwischen den Meetings träumen manche, vielleicht, ganz altmodisch von einem prickelnden Rendezvous. Kein Problem. "Berlin ist auch in erotischer Hinsicht zur Metropole geworden", lesen wir jetzt in einem Taschenbüchlein, das sich als "unterhaltsamer Führer für romantische Stunden" empfiehlt.

In puncto Lust und Liebe hat die Stadt Erfahrung. "Laster noch und noch! Kolossale Auswahl!", so jubelte Klaus Mann in den Zwanziger Jahren. Über 160 Varietétheater und Revuen lockten damals zu halbseidenem Amüsement. Da sieht es heute düster aus. Gerade mal acht Revuetheater beschreibt Autorin Vanessa Mehlitz, darunter so gediegene Adressen wie den Friedrichstadtpalast, den Wintergarten und das Chamäleon. Zwar geht es da in erster Linie um Tanzkunst, Akrobatik und Comedy, doch die Autorin wittert hier wie dort "Erotik in der Luft". Sinnliches verspricht "Tanjas Nachtcafé". Da bezaubere eine zierliche Frau mit dunkler Stimme ihre Gäste "im eng anliegenden Dress mit erotisierenden Chansons".

Wer Pikanterien liebt, könnte bei "Nutten und Nüttchen" einen Spaziergang über den Straßenstrich buchen und dabei einiges über die Geschichte der Prostitution lernen. Zu theoretisch? Im Buch finden sich zahlreiche Adressen jener Clubs, in denen sich Männer Liebe kaufen können. Riesig scheint das Angebot für Liebhaber ausgefallener Sexpraktiken zu sein. Vanessa Mehlitz beschreibt sie detailliert unter der Überschrift S/M-City. Im schlecht kopierten Boulevard-Stil heißt es da etwa: "In kleinen Wandverliesen rütteln S/M-Barbies an ihren Gitterstäben. Doch niemand lässt sie heraus. Sie sind für immer hier gefangen." Oder: "Zwischen Stiefeln und Pumps krabbelt ein beleibter Mann am Boden herum, mit nichts bekleidet als mit einem Nasenring."

Mit voyeurhaftem Blick und rührend anmutenden Gebrauchsanweisungen wie "gepeitscht wird aus dem Handgelenk" will die Autorin Neugierige zum Probieren des "Extra-Thrills" ermuntern. Wer der "Schwarzen Szene" nahe steht, kennt die einschlägigen Orte mit Ledergeschirren, Streckbänken, Prangern oder sogenannten Straf-Bars ohnehin. Zum Glück hat das Buch noch andere Seiten. Mehlitz stellt uns "erotische und romantische Orte" vor. Zum Flirten empfiehlt sie die Rosenhaine im Treptower Park oder im Britzer Garten und, als "Anbandel-Location No.1" das "Café am Neuen See".

Im Winter könnte man Hand in Hand durch das Tropenhaus im Botanischen Garten spazieren oder auf dem Trödelmarkt an der Straße des 17. Juni in nostalgische Träumereien versinken. Wer Freund oder Freundin beeindrucken will, kann bei Classic Cars einen Jaguar mit Chauffeur bestellen oder - ökologisch korrekt - ein Velotaxi oder eine Kremserfahrt buchen. Warum hat die Autorin mit Adressen von Tanzlokalen und Diskotheken so gegeizt? Nur sieben Orte finden sich in ihrer Liste, darunter das Ballhaus Walzerlinksgestrickt und das El Barrio für Salsafans. Was sucht der Romantiker noch? Adressen für schöne, stilvolle Bars zum Beispiel, wo man über gut gemixte Cocktails spielend ins Gespräch kommt. Nicht ein Tipp! Lediglich Homosexuelle werden unter der Überschrift "Schwule Sinnlichkeit" in puncto Nachtcafés fündig. Wir erfahren, wo man Sextoys erwerben oder sich an delikaten Stellen piercen lassen kann. "Rund acht Wochen Heilungszeit", warnt die Autorin.

Wo sich viele über Kälte und Vereinzelung in der Großstadt beklagen, hätte ein Buch mit dem Titel "Verführerisches Berlin" ein Renner werden können. In diesem Führer aber macht das Lesen wenig Spaß. Und weil der Verlag auf Illustrationen zwischen den kleingedruckten Zeilen verzichtet hat, bleibt sogar die Lust beim Durchblättern aus. Wer Sex in allen Spielarten favorisiert, wird mit vielen Adressen im Anhang bedient. Romantiker finden wenig Anregungen. Dabei soll es ja den einen oder anderen geben, im "verführerischen" Berlin.Vanessa Mehlitz: Verführerisches Berlin, Jaron Verlag, Berlin 2000, 120 Seiten, 16,80 DM.

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