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Kultur: Alte Heimat, neue Freiheit

Jetzt erst einmal eine Oper: die Choreografin Sasha Waltz über ihre Loslösung von der Schaubühne

Sasha Waltz, Sie haben für Ihre Compagnie ein Kooperationsmodell mit der Schaubühne ausgehandelt. Ende 2004 haben Sie schon neue Räume bezogen. Sind Sie glücklich über Ihre neue Unabhängigkeit?

Nach fünf intensiven Jahren an der Schaubühne ist uns diese Entscheidung nicht leicht gefallen. Die Schaffung einer unabhängigen Struktur in Kooperation mit dem Theater erschien uns als der richtige Weg, unsere künstlerische Arbeit auf hohem professionellen Niveau in Berlin fortzusetzen und weiterzuentwickeln. Um es wiederholt zu sagen: Ich liebe dieses Haus! Wir konzentrieren uns jetzt auf die positiven Aspekte der Zusammenarbeit: Ich werde dort weiterhin Kreationen schaffen und mein umfangreiches Repertoire präsentieren. Das Befreiende an der Unabhängigkeit spüren wir bereits deutlich bei unserer neuen Arbeit, der Oper „Dido & Aeneas“ von Purcell, die wir eigenständig produzieren.

Hat sich die Choreografin Sasha Waltz als Co-Direktorin aufgerieben?

Für mich war dieses Leitungsmodell irgendwann nicht mehr effizient. Durch den Konflikt um Machtkompetenzen haben wir als gemeinsame Theaterleitung viel Energie verloren. Ich habe dann für mich eine deutliche Priorität gesetzt: Ich möchte vor allem künstlerisch arbeiten und gleichzeitig nehme ich auch meine Leitungsfunktion sehr ernst. Aber ich möchte auch wirklich leiten. Die finanzielle Abhängigkeit hat auch immer inhaltliche Folgen gehabt. Bestimmte Projekte mussten wir stark erkämpfen. Luk Perceval und Constanza Macras arbeiten auch dank unserer Initiative an der Schaubühne. Die Schaubühne ist nach wie vor der wichtigste Ort, in dem meine Stücke gezeigt werden. Diese Kontinuität ist auch für unser Publikum wichtig.

Für Sie war es doch eine sehr erfolgreiche Zeit – und zugleich der Durchbruch einer neuen Ästhetik.

Ja, als Künstlerin bewerte ich diese Zeit als sehr positiv. Die Schaubühne hat mir Möglichkeiten geboten, die in der freien Szene undenkbar sind. Und die Auseinandersetzung mit der spezifischen Architektur war eine große Herausforderung für meine Arbeit, die sich damit zunehmend radikalisiert hat. Ich choreografiere für ein größeres Ensemble, wir spielen vor einem sehr vielschichtigen Publikum – ich denke in ganz anderen Dimensionen als früher und stelle existenziellere Fragen. Dass ich mich stärker zur Abstraktion hin entwickelt habe: Auch das ist eine Antwort auf den Raum.

Wie haben denn Ihre Tänzer die Entscheidung aufgenommen?

Sie gehen mit einem neuen Enthusiasmus an die Arbeit. Tänzer, die ursprünglich die Absicht hatten, die Compagnie zu verlassen, wollen jetzt den Neubeginn aktiv mitgestalten.

Werden Sie Ihre Compagnie neu formieren? Wird das Ensemble vergrößert?

Ich bin gerade auf der Suche nach neuen Tänzern, denn es geht mir darum, den Neubeginn nach außen sichtbar zu machen. Aber es gibt einen festen Kern von Tänzern, mit denen ich schon seit Jahren arbeite. Wenn ich anfange, mit einem Tänzer zu arbeiten, dann gehe ich mit ihm eine Beziehung ein, und die hört nicht einfach auf nach zwei Jahren. Die ist erst einmal auf ewig angelegt. Das ist vergleichbar mit einer Heirat.

Sie haben sich ja zunächst in der freien Szene auch international einen Namen gemacht. Als Gründerin der Sophiensäle haben Sie ein Erfolgsmodell ins Leben gerufen. Kehren Sie nun zu den flexibleren Organisationsformen zurück, die sie aus der freien Szene kennen?

Die Organisationsform, die wir jetzt etablieren, ist gar nicht so typisch für die freie Szene, die findet man eher in kleineren innovativen Unternehmen. Die Arbeitsteilung ist sehr übersichtlich und es gibt direkte Ansprechpartner, die Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen. Es gibt weder einen Überbau noch eine hierarchische Struktur. Das heißt aber nicht, dass weniger Arbeit für den Einzelnen anfällt – eher das Gegenteil ist der Fall!

„Dido & Aeneas“ ist das erste Projekt, das unter den neuen Bedingungen entsteht. Wie kam es zu Ihrer ersten Opernproduktion?

Diese Oper war mein persönlicher Wunschtraum. Ursprünglich als Kooperation zwischen Schaubühne und Staatsoper geplant, produzieren sie jetzt Sasha Waltz & Guests und die Akademie für Alte Musik gemeinsam in Koproduktion mit dem Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg, der Staatsoper Unter den Linden und der Opera National in Montpellier. So eine freie Opernproduktion ist sehr ungewöhnlich und wird durch den Hauptstadtkulturfonds gefördert.

Erleben Sie die Ablösung von der Schaubühne auch als künstlerische Zäsur?

Es gab bei mir immer starke Beweggründe, ein Stück zu machen, und die waren oft persönlicher Natur. Die „Körper“-Trilogie an der Schaubühne war in erster Linie eine Reaktion auf mein eigenes Leben, auch wenn ich die dort behandelten Themen für gesellschaftlich relevant halte. Jetzt bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich mir noch mal radikaler die Frage stelle, was die Kunst bewegen kann. Ich will die Menschen berühren – diesen Anspruch stelle ich an meine Arbeit. Deswegen möchte ich neue Formen entwickeln. Auch über den Tanz hinaus.

Das Gespräch führte Sandra Luzina.

SASHA WALTZ

gehörte seit 2000 zur künstlerischen Leitung der Schaubühne. Die Choreografin kam aus der Freien Szene und macht sich mit ihrer Compagnie nun wieder selbstständig.

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