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Kultur: Alte Liebe

Auf der Ars Nobilis kommen Spezialisten und Flaneure auf ihre Kosten

Von Jahr zu Jahr wird die Ars Nobilis schöner und individueller. Mit der Messe für alte Kunst, organisiert von Udo Arndt, Jürgen Czubaszek, Ernst von Loesch und Volker Westphal, versuchen die Berliner Händler seit 2000 an den Erfolg der beinahe schon legendären Orangerie anzuknüpfen. Dieser Meilenstein unter den Antiquitätenmessen weckte in den Achtzigerjahren aufgrund der innovativen Präsentation – ein museal bestückter Parcours statt einzelner Kojen – das Interesse neuer Sammlerschichten. Auch heute noch möchte der Kunstliebhaber verführt werden. Der klassische, in seinem Gebiet hochgebildete und bestens informierte Spezialsammler alter Kunst stirbt langsam aus. Gleichzeitig wächst das Interesse für Spitzenwerke vergangener Jahrhunderte, wie zuletzt die Welfen-Auktion in Hannover bewiesen hat – wenn auch königlicher Glanz und Medienhype das ihrige dazu getan haben mögen. Neue Sammler wollen mit ästhetischer Opulenz und erstklassigen Provenienzen verlockt werden. Und das bei einem sich stetig verknappenden Angebot.

Aufs Schönste löst die 6. Ars Nobilis, mit 34 Ausstellern im Automobil Forum Unter den Linden an ihre Wachstumsgrenzen gelangt, diesen Spagat mit einem Mode-Schwerpunkt. Im Zentrum des Untergeschosses zeigt Titi Halle von Cora Ginsburg LLC erstmals in Europa 13 zwischen 1700 und 1790 entstandene höfische Roben und Kostüme für Damen, Herren und Kinder (Preise zwischen 8000 und 105000 Euro). Flankiert wird dieser geblümte und berüschte Großauftritt der New Yorker Spezialistin von Ursula Dukek aus Oberstaufen, die Fächer des 17. bis 20. Jahrhunderts mitgebracht hat, und von Basedau aus Hamburg mit feinen alten Spazierstöcken. Als Ausstellung in der Ausstellung sind Modefotos der Fifties von Helmut Lohmaier zu sehen: eine Hommage an seine spätere Frau Eva Lohmaier, die, bevor sie Kunsthändlerin wurde, als Mannequin bei Heinz Oestergaard in Berlin gearbeitet hat.

Das Spektrum auf der Ars Nobilis reicht von raumgreifenden Ensembles, etwa bei Seidel und Sohn aus Berlin, die in diesem Jahr ihr 100. Jubiläum feiern können, bis zur reduzierten, beinahe nur symbolischen Präsenz. Branchen-Primus Konrad O. Bernheimer aus München, der kürzlich zum zweiten Mal erfolgreich die Exklusivmesse „Munich Highlights“ organisiert hat, stellt lediglich an einer Wand aus. Die beiden Bilder zeigen amouröse Abenteuer des Aeneas, die der Turiner Rokoko-Maler Vittorio Amedeo Rapous wahrscheinlich für eine Kutschen- oder Sänftendekoration in Szene gesetzt hat (300000 Euro).

Ein weiterer Höhepunkt der Ars Nobilis liegt bei Gemälden des 19. Jahrhunderts. Preußisches in Form königlicher Staatsporträts zeigen Volker Westphal und die kürzlich verstorbene Asta von Bethmann-Hollweg sowie Neuse mit einer ganzen „Preußen-Wand“. Neben Porträts Kaiser Friedrichs III. fallen hier besonders zwei Ölstudien des Berliner Orientalisten Wilhelm Gentz auf, die den Einzug des 99-Tage-Kaisers als Kronprinz 1874 in Jerusalem zeigen (15000 bzw. 50000 Euro). Eine monumentale Variante der mit kolonialem Pathos daherkommenden Komposition befindet sich heute im Haus Doorn. Ein seltenes gusseisernes Exemplar von Christian Daniel Rauchs Büste Zar Nikolaus I. (35000 Euro) hat Klaus Spindler mitgebracht. Der Münchner Fachmann für Klassizistisches gehört zu den erfreulichsten Neuzugängen.

Es sind Spezialisten wie er, die den besonderen Charme der Berliner Messe ausmachen – gerade im Vergleich zu den ähnlich konzentrierten Munich Highlights und der runderneuerten Hamburger Fine Art Fair. Neben den Berliner Mitorganisatoren Ernst von Loesch (Architekturzeichnungen) und Udo Arndt (hinreißend sein klassizistischer Aufsatzofen für 29000 Euro) gehört dazu auch die Münchner Silberhändlerin Helga Matzke. 1784 lieferte der Hamburger Meister Johann Conrad Otersen eine Terrine und zwölf Teller mit dem Allianzwappen der herzoglichen Häuser Mecklenburg-Schwerin und Württemberg. 1820 wurden noch einmal 12 Teller nachgefertigt, die noch immer dieselben verhaltenen Rokokoformen zeigen (120000 Euro). Zu den Pretiosen der Münchner Schmuckspezialistin Almut Wager zählt eine Miniatur des Berliner Schauspielers und E.T.A.-Hoffmann-Freundes Ludwig Devrient, deren Rückseite als echte Freundschaftsgabe die braunen Locken des Mimen zieren (4800 Euro).

Unter den Möbeln fallen zwei Schreibsekretäre des Leipziger Roentgen-Nachfolgers Friedrich Gottlob Hoffmann auf. Das bei Neuhaus aus Würzburg ausgestellte Exemplar mit in Wedgwood-Manier auf Blech gemalten Figuren besitzt ein fast baugleiches Pendant in der Sammlung von Georg Baselitz (180000 Euro). In das ebenfalls kurz vor 1800 entstandene Modell bei Franke aus Bamberg (84600 Euro) ist ein herausklappbarer Schreibtischstuhl integriert. Himmlisch intelligenter Luxus.

Ars Nobilis, Automobil Forum Unter den Linden, Unter den Linden 21, bis 13. November, Montag bis Freitag 11–20 Uhr, Sonnabend und Sonntag 10–18 Uhr.

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