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Kultur: Alte Probleme, neue Umgangsformen: Theaterchefs im Clinch mit den Haushaltspolitikern

Castorf schmeißt hin!?

Castorf schmeißt hin!? Peymann droht!? Staatsoper macht Plus - Staatsoper pleite?

In Berlin gab es am Donnerstag eine nicht unspektakuläre Premiere. Die Intendanten der Sprechtheater und Opern gastierten im Unterausschuss Theater des Abgeordnetenhauses. Sie hatten den Finanzpolitikern Rede und Antwort zu stehen, und zwar über ihren finanziellen Status. Heraus kam, was bekannt war: Die Mehrzahl der Bühnen rechnet mit dicken Defiziten. Dem Deutschen Theater fehlen rund 2,4 Millionen Mark, bei der Staatsoper Unter den Linden und der Schaubühne liegt der Fehlbetrag noch höher, und die Volksbühne braucht zusätzlich eine Million Mark. Alle Beteiligten wussten das, bevor sie sich im Saal 113 zu dem Sitzungsmarathon einfanden. Und dennoch hat es so heftig wie schon lange nicht mehr im Gebälk der hauptstädtischen Kultur gekracht.

Man macht in Berlin zur Zeit eine Reihe neuer Erfahrungen. Zum Beispiel die, dass die Theater, voran Peymanns Berliner Ensemble und Ostermeiers Schaubühne, aber auch die anderen Häuser einen ungeahnten Zuschaueransturm erleben. Theater ist wieder in aller Munde, womit noch nichts über die künstlerische Qualität gesagt ist. Das Theater boomt, und zugleich zeigt sich in radikaler Deutlichkeit, wie brüchig die hauptstädtische Kulturszene konstruiert ist. Das Kartenhaus droht zusammenzustürzen. Der Boom ist nicht mehr finanzierbar. Die Folgen der Wende, der Vereinigung Berlins sind in der Kulturpolitik nicht bewältigt, die Strukturen sind veraltet. Nach zehn Jahren kommt die Rechnung auf den Tisch. Und keiner kann sie bezahlen.

Doch sind es nicht allein solche unumstößlichen Einsichten, die plötzlich eine gewaltige Aufregung produzieren. Die Umgangsformen haben sich geändert - und die Präsentation von Politik. Früher nämlich hat das parlamentarische Gremium mit dem wenig attraktiven Namen Unterausschuss Theater hinter verschlossenen Türen getagt. Erst seit dieser Legislaturperiode sind die Sitzungen öffentlich. Zum ersten Mal erlebte man unmittelbar, wie Intendanten peinlich befragt, diskret gelobt oder zusammengefaltet wurden von den gut vorbereiteten Abgeordneten Klaus Wowereit (SPD) und Alice Ströver (Bündnis 90/Grüne). Man begriff auch, dass Berlins Kultur langfristig mehr Geld braucht. Doch der Senat hat keine schwarzen Auslandskonten für die Kunst.

So unterschiedlich die Berliner Theaterleiter veranlagt sind, so verschieden haben sie auch auf diese völlig ungewohnte Situation reagiert. Georg Quander von der Staatsoper kassierte eine heftige Schelte, die einer Abmahnung nahe kam: Er breitete mit beachtlicher Ruhe und Kälte daraufhin sein fantasievolles Zahlenwerk aus (siehe Tagesspiegel vom 3. März). Frank Castorf und Claus Peymann nutzten sogleich das neue Forum, um sich zu positionieren. Beide sind brillante Selbstdarsteller und Volksredner, beide verstehen glänzend, die Öffentlichkeit zu erschrecken. So hat Frank Castorf keineswegs mit Rücktritt gedroht, sondern launisch durchblicken lassen, dass er die Kärrnerarbeit an der höchst bescheiden ausgestatteten Volksbühne eines Tages satt haben könnte. So ließ Claus Peymann die Muskeln spielen, da er offensichtlich einen Vertrag in der Tasche hat, der ihm Subventionen garantiert, die im Kulturhaushalt so gar nicht vorgesehen sind; sechs Millionen kommen derzeit vom Lotto. Aber was geschieht, wenn das Land diesen Betrag demnächst aus ordentlichen Mitteln aufbringen muss? Peymann hat die Trümpfe in der Hand.

Ein anderes Bild bot Thomas Langhoff. Ihm liegt die öffentliche Gebärde nicht. Er litt, saß aschfahl hinter dem Mikrofon, wusste nicht ein noch aus. Sein Deutsches Theater steckt auch künstlerisch in der Krise, seine Intendanz neigt sich dem Ende zu. Er vermittelt den Eindruck, dass er die seinerzeit harsch übermittelte Nichtverlängerung seines Vertrags noch nicht verwunden hat. Die guten Noten heimsten Albert Kost von der Komischen Oper und Bernd Wilms vom Maxim-Gorki-Theater ein, der demnächst Langhoff am DT nachfolgen wird. Sie haben ihre Häuser den veränderten Gegebenheiten angepasst, wirtschaften mehr oder weniger ausgeglichen. Und könnten wieder für ihre professionelle, ehrliche Einstellung bestraft werden - falls die anderen, die nach alter Manier kräftig überziehen, doch noch einmal Nachschlag bekommen. Dies aber lehnen im Augenblick alle Parteien ab.

Werden wieder Theater geschlossen? Kultursenatorin Christa Thoben (CDU), gerade hundert Tage im Amt, machte keine glückliche Figur. Sie verhält sich widersprüchlich. Dem angeschlagenen Deutschen Theater will sie aus der Klemme helfen, nicht aber der Volksbühne, die immer noch Berlins profiliertestes Sprechtheater ist. Der baulich maroden Volksbühne sollen nun 8,5 Millionen Mark für die dringend gebotene Renovierung wieder entzogen werden. Christa Thoben lässt noch keine Linie erkennen. Kennt sie die Häuser nicht?

Der Tag im Ausschuss besaß durchaus Unterhaltungscharakter. Man sah, wie die alten Erregungsrituale kampferprobter Intendanten in einem Klima aufblühen, das sich für Theater frisch sensibilisiert. Castorf hat nicht hingeschmissen. Peymann hat wirkungssicher mit dem Säbel gerasselt. Und was die Staatsoper angeht, hat der mächtige Daniel Barenboim erstmal seinen Intendanten vorgeschickt. Nur Jürgen Schitthelm, Direktor der privatrechtlich verfassten Schaubühne, hat inzwischen schweres Geschütz aufgefahren: "Wenn die mir zugesagten und fehlenden 2,8 Millionen Mark nichtmehr kommen sollten, kann ich mich mit Berlin nur noch über die Einstellung der Arbeit unterhalten. Dann ist der Aufbruch an meinem Haus ein Abbruch."

Doch ist das alles Vorgeplänkel: Sämtliche Anträge wurden "zurückgestellt". Jetzt zieht der Krach erst richtig auf.

Rüdiger Schaper

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