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Kultur: Alte Schule

Frankfurter Buchmesse: zu Gast bei Suhrkamp

Es ist jedes Jahr aufs Neue erstaunlich, wie pünktlich die gesammelte Literaturkritik zum Suhrkamp-Kritiker-Empfang eintrudelt, um ja nicht die Begrüßung von Ulla Unseld-Berkéwicz und die anschließende Lesung eines Suhrkamp-Autoren zu verpassen. Als ob die Kritiker nicht das ganze Jahr Lesungen beiwohnen, als ob ihnen bisweilen die modischen Lesefeste und all das Drumherum nicht zutiefst auf die Nerven gehen – sie stehen alle dichtgedrängt in den Räumen der Siegfried-Unseld-Villa in der Klettenbergstraße und lauschen einer kurzen Lesung des zu Suhrkamp zurückgekehrten Schriftstellers Marcel Beyer aus seinem noch unveröffentlichten Roman „Kaltenburg“.

Dieser erzählt wieder einmal die Geschichte zweier Menschen, des Erzählers und eines Wissenschaftlers, eines Ornithologen, die von den dreißiger Jahren und dem Zweiten Weltkrieg entscheidend geprägt wurden. Beim Vortrag fragt man sich nach dem Sieg von Julia Franck beim Deutschen Buchpreis und überhaupt den vielen gerade den Markt und den Diskurs beherrschenden Jahrhundertpanoramen und Familiengeschichten, was die deutschsprachige Literatur so vergangenheitsversessen macht, warum sie so wenig loskommt von diesem Zeitalter der Extreme, von den dreißiger und vierziger Jahren. Marktgängig ist das allemal, stofftauglich auch, braucht man selbst nicht so viel zu erleben.

Dabei, und das ist das andere Schöne beim rituellen Suhrkamp-Empfang, lässt sich mit den Autoren und Autorinnen des Verlages problemlos ein Gespräch führen, gerade weil der Rahmen so ein überschaubarer ist. Der niederländische Großschriftsteller A. F. Th. van der Heijden erklärt, dass es nicht ganz stimme, dass er in jedem Raum seiner Wohnung Schreibmaschinen stehen habe, da habe sein Freund und Kollege Cees Noteboom einfach ein bisschen geschwindelt und einen allerdings schönen Mythos produziert, als er das vor zwei Jahren an selber Stelle zum Besten gab. Albert Ostermaier macht Werbung für die Schriftstellerfußballmannschaft, Ann Cotten fläzt sich auf dem Sofa vor den vielen Edition-Suhrkamp-Bänden, Katharina Hacker lässt sich von Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth den Kinderwagen nach draußen schieben. Und Dietmar Dath und der Verleger vom Berliner Verbrecher Verlag, Jörg Sundermeier, umarmen sich so herzlich und innig, als hätten sie sich Jahre nicht gesehen. Oder als würde Dath Abwanderungsgedanken hegen und zu den Verbrechern zurückkehren wollen.

Wer solche Gedanken bestimmt nie hegt, ist Thomas Meinecke, die Verkörperung der Popkultur bei Suhrkamp, inzwischen Urgestein. Da passt es, als er mitten im schönsten Gespräch über die Erfolge seiner Frau Michaela Melijan mit ihrem neuen Album plötzlich innehält und fragt, warum eigentlich gerade so viele einstige „Spex“-Autoren bei den Springer-Zeitungen schreiben? Das gehe überhaupt nicht, für Springer zu arbeiten, das würde er nie tun, genauso wenig wie für Random House/Bertelsmann. So viel politische Korrektheit muss sein. Meinecke hat Prinzipien. Das verbindet ihn auch mit seiner Verlegerin: Die Liebe zur Tradition, zur Old School, der schwört man nicht so einfach ab. Gerrit Bartels

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