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Ewige Hippies. Graham Nash (69) und David Crosby (70).Foto: Davids/Hübner

© DAVIDS/Huebner

Konzertkritik: Alte Wilde

Betörend: Crosby & Nash spielen im Berliner Admiralspalast. Sie sind gut bei Stimme und immer noch kämpferisch

Die letzten Worte, die David Crosby und Graham Nash nach fast drei Stunden Konzert ihrem jubelnden Publikum im ausverkauften Berliner Admiralspalast zurufen, lauten: „Have Peace“. Vorher hatten sie als Zugabe „Chicago“ gespielt, ein Protestlied mit wütend stotternder E-Gitarre, und der halbe Saal sang mit: „We can change the world.“

Ihr Auftritt mit den Kompagnons Stephen Stills und Neil Young in Woodstock liegt über vierzig Jahre zurück, doch Hippies sind David Crosby und Graham Nash noch immer. Die beiden Rockveteranen glauben fest daran, dass man mit Musik die Welt verändern kann, ein bisschen jedenfalls. Sie gratulieren ihren deutschen Fans zum Atomausstieg und spielen anschließend die Anti-Kernkraft- Hymne „Don’t Dig Here.“ Und nachdem sie über Börsenspekulanten gewettert haben, verkünden sie, dass sie gleich nach ihrer Rückkehr nach Amerika in New York auftreten wollen, für die Aktivisten der Occupy-Wall-Street-Bewegung.

Crosby ist 70, Nash 69, aber ihre Stimmen haben nichts von ihrer Strahlkraft verloren. Bei Songs wie „Long Time Gone“, „Carried Away“ oder „Cathedral“ vereinen sich ihre Organe zu betörend schönen Chorgesängen, einer Spielart des Westcoast-Rock, wie ihn ansonsten nur noch die Beach Boys beherrscht haben. Der Scat-Gesang von „Critical Mass“, a cappella auf der abgedunkelten Bühne vorgetragen, erinnert sogar an eine Bach-Kantate. Die vierköpfige Begleitband, zu der auch Crosbys Sohn James Raymond an den Keyboards gehört, ist exzellent.

Dass die Supergroup Crosby, Stills & Nash in 42 Jahren nur acht Studioalben veröffentlicht hat, liegt auch an den Drogen-Abstürzen von Crosby. Nun strahlt er statt Wut Gelassenheit aus. Sein Haar ist dünn geworden, aber schneiden lassen? Unmöglich. Im Hippie-Hit „I’ve Almost Cut My Hair“ versichert der Mann mit dem Walrossbart: „I want to let my freak-flag fly.“ Christian Schröder

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