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Kultur: Altern und altern lassen

OPERETTE

Veronica hat nicht viel Zeit. Ein paar Autogrammkarten wird sie noch los. Man habe sie doch sofort erkannt, möchte sie wissen. Und ihr Hut, der sei doch schön? Ihre Hände sind zittrig, sie ist alt geworden. Schon erscheint Schwester Elizabeth mit der Liege, um sie zur Behandlung abzuholen.

Die ungarisch-deutsche Gruppe „Female Line“ und ihre Choreographin Béata Nagy treffen mit der Produktion „Fürstinnen“ in den Sophiensälen den Nerv der Zeit. Fünf Patientinnen im Sanatorium „Csárdásfürstin“ – benannt nach der großen Operette des ungarischen Komponisten Imre Kálmán – auf der Suche nach dem Jungbrunnen reflektieren selbstironisch ihre Angst vor dem Altern. Aber es ist noch mehr: Die Operetten-Performance stellt ein alterndes Genre in Frage. Die Frauen verkörpern die Operette an sich, hangeln sich an Johann Strauß’ „Brüderlein und Schwesterlein“ (Die Fledermaus) und Franz Lehárs „Ja, das Studium der Weiber ist schwer!“ (Die lustige Witwe) entlang und erinnern so an ihre Diven und die große Zeit der Wiener Operette. Doch sie hat graue Haare bekommen. Noch mit 77 Jahren sang die Königin der Csárdásfürstinnen, Hanna Honthy, im Jahr 1970 ihre eintausendste Aufführung der Operette.

Die Szenarien sind alltäglich. Und gerade deshalb schwankt das Stück zwischen Einfachheit und Originalität. Doch Michaela Winterstein, Claudia Wiedemer, Paula E. Paul, Karolina Petrova und Nadja Saleh verstehen es, die Gratwanderung zwischen Humor und Ernst schauspielerisch umzusetzen. Das Düstere und Nachdenkliche wird durch die schwungvollen Walzermelodien aufgefangen. Und wenn Veronica am Ende doch Angst vor dem Altwerden hat, dann ist das nur ehrlich.

Franziska Richter

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