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Der Eingang in der Torstraße 111.

© Silas Bahr

Atelierhaus Torstraße feiert Jubiläum: Seit 20 Jahren eine Berliner Oase für Künstler

Ein Brunnen im Garten und ein Klo für alle. Das Atelierhaus Torstraße 111 ist eine genügsame und schöne Utopie für Berliner Kreative und Künstler.

Während ringsherum alle aufbauen, machen die Künstler Ingo Fröhlich und Ulrike Seyboth das Gegenteil: Sie nehmen eher Dinge weg, als dass sie welche hinzufügen. Das Vorderhaus wird zur bewohnten Skulptur, die Remise im Hinterhof darf Ruine bleiben.

Seit 20 Jahren. Das Atelierhaus Torstraße 111 ist ein Solitär in der gentrifizierten Spandauer Vorstadt. Das Gebäude mit der braunen Fassade, der mit Graffiti besprühten Tür und den drei Einsen in der Adresse ist seit der Wende nie professionell renoviert und kommerziell verwertet worden. Stattdessen bietet es Raum für Künstler. Gewerkelt wird hier auch, Wände werden verputzt, Decken verspachtelt, aber alles in Eigenregie und von Künstlerhand.

Mehr als einen Bollerofen und ein Klo für alle braucht es nicht, um kreativ zu sein. Diese schöne Utopie wird zum 20. Jubiläum einmal mehr mit einer Gruppenausstellung gefeiert. In Coronazeiten gibt es eine extralange Vernissage, damit die Gäste sich gut verteilen (Fr 19./Sa 20. Juni, 17 – 21 Uhr. Die Ausstellung ist bis 5. Juli zu sehen, Fr, Sa 15 – 19 Uhr, So 14 – 18 Uhr).

Im Hof plätschert ein neuer Brunnen von Bildhauer Rudolf Borkenhagen, Tammo Winkler hat auf einem Erdhaufen „Blumen“ gepflanzt. Seine Blüten sind allerdings aus alten CDs, Plastikfolie und Dämmmaterial. So echt, so bunt, dass die Blattläuse drum herum glatt darauf hereinfallen.

Relikte von der Trabrennbahn Karlshorst

32 Künstlerinnen und Künstler stellen jetzt aus, es sind die, die im Vorderhaus auf drei Etagen arbeiten und solche, die teils seit Jahren mit der Gruppe verbunden sind. Die Studenten der UdK-Professorin Valérie Favre haben hier schon mal alle Räume bespielt. Im Keller ist ein vierteiliges Gemeinschaftsgemälde zu sehen, das bei dieser Aktion entstand.

Die Bildhauerin Inge Mahn hat eine „Schlange in der Dose“ geschickt, einen schwarz-gelben Fahrradschlauch. In einer Glasvitrine erinnert eine Lichtskulptur von Ingo Fröhlich an die Anfänge des Projekthauses. Die geschwungenen Lettern stammen aus einer alten Reklame der Trabrennbahn Karlshorst und hingen vor vielen Jahren schon mal hier.

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„Zur Wendezeit konnte man den dunklen Osten sehr gut beleuchten“, erinnert sich Fröhlich. 2000 umrandeten sie die Fenster des Hauses mit Leuchtröhren. So kamen erst die guten Proportionen des Baus zum Vorschein, die sich im Laufe der Jahrzehnte auch an anderen Stellen ganz unerwartet zeigten.

Der Eigentümer ist ein echter Kunstfreund

Fröhlich hat vor 20 Jahren den Eigentümer des Gebäudes kennengelernt, der seither diese Oase für Künstler möglich macht und sich immer wieder aufs Neue gegen eine finanziell lukrativere Verwertung entscheidet.

Hunderte Künstler haben im Laufe der Zeit hier zusammengearbeitet und das Haus für ihre Bedürfnisse optimiert. Durch herausgebrochene Decken sind zwei kathedralenartige Räume entstanden. Perfekt für das große Triptychon der Künstlerin Camille Lacroix. Von der Ruine im Hinterhof winkt eine kinetische Figur des Malers Matti Schulz.

Eine Installation der Puppenspielerin Esther Nicklas zaubert ein Schattenspiel an die Wand und eine Video-Sound-Arbeit von Filip Caranica plockert vor der Backsteinwand. Langsam schauen ist ausdrücklich erlaubt.

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