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Kultur: Altmeisterliche Verlockungen

Ein Brueghel für Gunter Sachs: die Tops und Flops bei den Londoner Altmeisterauktionen

Es gab einige Rückgänge, noch mehr Preissensationen und einen raren Auftritt von Deutschlands ehemaligem Vorzeigeplayboy Gunter Sachs am Altmeistermarkt: Zum Aufruf kam eine Szene mit dem kreuztragenden Christus auf seinem Leidensweg zum Kalvarienberg von Pieter Brueghel d. J., halb als Andachtsbild, halb als Polizeibericht wunderbar gemalt. Händler wussten, dass ihr Londoner Kollege Johnny van Haeften das Gemälde aus einer europäischen Privatsammlung jahrelang vergeblich angeboten hatte, und waren nicht interessiert. Doch dann lieferten sich zwei Telefonbieter und ein weißhaariger Saalbieter im hellblauen Anzug eine lange Schlacht, bis Letzterer den Rekordpreis von 5,16 Millionen Pfund (9,52 Millionen Euro) bezahlt hatte.

Sotheby’s Altmeisterabteilung wusste offenbar nicht einmal, dass es sich bei dem entschlossenen Sammler um Gunter Sachs handelte. Schließlich hatte sich dieser das Geld für den Kunstkauf ja auch bei der Konkurrenz Christie’s verschafft, wo er im Mai ein Papstbild von Francis Bacon für 10,6 Millionen Dollar verkaufte. Umgibt sich der Sachs, der in seiner Autobiografie auch Tipps für das Sammeln von Contemporary Art gibt, auf seine alten Tage mit religiöser Kunst? Oder hat er, wie immer mehr Sammler zeitgenössischer Kunst, das Gefühl, so ein Altmeister sei im Vergleich zur überteuerten Contemporary Kunst vielleicht doch die bessere Wertanlage? Oder gehört er zur wachsenden Zahl von „Crossover“-Sammlern, die im Zeitalter der Mannigfaltigkeit die Contemporary Art an ihren Wänden mit Altmeistern aufmischen?

Sachs verschwand nach seinem Gebot. Doch Sotheby’s Experte George Gordon bestätigt, dass gerade ein Bild wie der Brueghel für die neuen „Wechsel“-Sammler besonders attraktiv ist – ebenso wie Goldgrundmalerei oder die minimalistisch reduzierten Stillleben, wie sie der Holländer Adrian Coorte malt: Sein kleines Stillleben mit zwei Pfirsichen und einem Schmetterling zum Beispiel. Es war auf 80 000 bis 120 000 Pfund geschätzt. Johnny van Haeften bezahlte 500 800 Pfund. „Coorte steht vor einer Aufwertung“, prophezeite der Händler, der in zwei Abendaktionen 13 Bilder kaufte.

Christie’s Sensation war anderer Art: Ludovico Carracis „Salmakis und Hermaphroditus“ war im englischen Landschloss Knole in einer dunklen Ecke entdeckt und als neu endeckter Carracci identifiziert worden. Eine Rarität für Kunsthistoriker und eine Sinnenfreude, denn es zeigt keine seiner religiösen Szenen, sondern eine mythologische Liebesgeschichte nach Ovid mit zwei lieblichen Figuren in einer mild erleuchteten Waldlichtung. Alles war verlockend, die Frische, der originale Erhaltungszustand, die niedrige Schätzung. So gab es eine trotzige Bietschlacht der potentesten Händler – bis Jean Luc Baroni den Toppreis von 7,4 Millionen Pfund (10,6 Millionen Euro) bezahlte – ein Londoner Händler, der gerne klagt, dass der Kunsthandel keinen Spaß mehr macht, weil alles so teuer ist.

„Nie habe ich den Markt so stark erlebt“, sagte Christie’s-Experte Paul Raison nach zwei Abendauktionen, in denen es immer wieder Spitzenpreise, aber auch einige klare Flops gab. Dazu gehörte auch Hans Holbeins Renaissanceporträt des Thomas Wyatt, das eigentlich zwei bis drei Millionen Pfund kosten sollte. Waren es Zweifel an seiner Authentizität, weil die Tate es nicht in ihre Holbein-Ausstellung nehmen will? Der Zustand? Oder wollten die Händler ihrem Kollegen Christopher Gibbs, der das Bild 1974 für 2400 Pfund erwarb, den Gewinn nicht gönnen? Ein Crossover-Käufer war hier jedenfalls nicht zur Stelle.

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