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Kultur: Am Anfang war das Wort

Man darf die Karriere von Bernarda Fink durchaus als Gegenentwurf zum Opernjetset mit seiner rastlosen Starproduktion sehen: Während andere Sänger voreilig zu Stars ausgerufen wurden und ebenso schnell wieder abstürzten, hat sich die Argentinierin Zeit gelassen. Fink hat sich nie zu Rollen drängen lassen, die ihren schlanken, warmtönigen Mezzosopran in Gefahr gebracht hätten, ist bei Mozart, Rossini und der Barockoper geblieben, statt von Carmen oder Dalila zu träumen.

Man darf die Karriere von Bernarda Fink durchaus als Gegenentwurf zum Opernjetset mit seiner rastlosen Starproduktion sehen: Während andere Sänger voreilig zu Stars ausgerufen wurden und ebenso schnell wieder abstürzten, hat sich die Argentinierin Zeit gelassen. Fink hat sich nie zu Rollen drängen lassen, die ihren schlanken, warmtönigen Mezzosopran in Gefahr gebracht hätten, ist bei Mozart, Rossini und der Barockoper geblieben, statt von Carmen oder Dalila zu träumen. Mit dem Erfolg, dass ihre Stimme auch nach zwanzig Berufsjahren noch so frisch klingt, dass sie sogar juvenile Helden noch glaubwürdig verkörpern kann – den Sesto in Mozarts „Titus“ zum Beispiel, den sie auch auf der bahnbrechenden, vor kurzem erschienenen Gesamtaufnahme mit René Jacobs singt.

Auch wenn sie bei den Barock-Produktionen der Staatsoper erstaunlicherweise kaum präsent war, gehört Fink doch zum engsten Kreis der Jacobs-Sänger, und dessen stilistische Akribie dürfte sie nicht unwesentlich beeinflusst haben. Die beiden haben denselben Lieblingskomponisten: Claudio Monteverdi, in dessen Oper jeder Satz auf Sinn und Hintersinn abgeklopft werden will und dessen Musik erst durch die deklamatorische Durchdringung ihre ganze Wirkung erhält.

Die Sorgfalt, mit der sich Fink um die richtige Ausdrucksnuance für jedes Wort kümmert, kommt natürlich nicht nur Monteverdi und Mozart zugute, sondern prädestiniert sie auch zur Liedinterpretin. Drei CDs liegen mittlerweile von ihr vor, und sie alle zeugen von einem frischen Zugang zum klischeebelasteten Genre. In den romantischen Miniaturen von Schumann und Dvorak kommt sie ohne das Vergrößerungsglas opernhafter Dramatisierung aus, verbindet statt dessen Intimität mit einer ganz ungekünstelten Empfindsamkeit – Fink verwirklicht ein Gleichgewicht von Kopf und Herz, dass die schlichten Geschichten von Liebesleid und Liebesfreud auch für moderne Großstadtmenschen nachvollziehbar macht.

Obendrein singt sie ein Deutsch, als hätte sie die Sprache mit der Muttermilch aufgesogen. Beide CDs wurden von der Kritik bejubelt, und es ist hochwillkommen, dass sie ihre Schumann-Modellinterpretation von „Frauenliebe und -leben“ aus Anlass des Schumann-Jahrs jetzt, wiederum mit ihrem fabelhaften Klavierbegleiter Roger Vignoles, live im Konzerthaus präsentiert. Und vielleicht hat sie im Anschluss an ihr Schumann-Programm am Donnerstag (20 Uhr) ja auch noch ein paar der stimmungsvollen argentinischen Canciones ihrer letzten CD mit im Zugabengepäck.

Jörg Königsdorf

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