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Kultur: "Am Rande der Stadt": Die Russen vom Omonia-Platz - Ein Film von Constantinos Giannaris

Wem sind in der Berliner U-Bahn nicht schon Gruppen junger Männer aufgefallen, die laut miteinander Russisch sprechen? Ihre Eltern sind deutscher Abstammung, aber den Kindern fällt es schwer, sich in der Wahlheimat zu assimilieren.

Wem sind in der Berliner U-Bahn nicht schon Gruppen junger Männer aufgefallen, die laut miteinander Russisch sprechen? Ihre Eltern sind deutscher Abstammung, aber den Kindern fällt es schwer, sich in der Wahlheimat zu assimilieren. Auch Griechenland hat seine Russen. In antiker Vorzeit siedelten Griechen am Nordrand des Schwarzen Meeres, die Nachfahren deportierte Stalin, zeitgleich mit den Deutschen von der Wolga, ins tiefe Mittelasien. Und auch die Söhne dieser Aussiedler sticht in der westlichen Freiheit der Hafer.

Unruhig streifen Sascha und seine Freunde auf Inline-Skates durch das nächtliche Athen. Am nächsten Morgen wirft Sascha den Balken auf der Baustelle verächtlich von der Schulter und rennt davon. Griechische Bordellbetreiber engagieren Sascha als Aufpasser für die blonde Natascha. Panagiotis, der Zweite aus dem Trio, macht sein Glück als Bettgefährte eines im Luxus lebenden Playboys, obwohl er eigentlich nicht homosexuell ist, während der Dritte ins Drogengeschäft einsteigt, das in Griechenland auf eigene Anbaugebiete zurückgreifen kann.

Constantinos Giannaris hat für diesen Film das Milieu der jungen Exilgeneration genau studiert. Er kennt ihren russisch-griechischen Slang, die coole Redeweise und die Gesten, die viele Worte ersetzen. Schon die erste Szene schmilzt die Informationen in Rhythmus und Bewegung um. Halbnahe Einstellungen dominieren, das Kunstlicht der Nacht ist dem Regisseur das liebste, Musik hebt die nervöse Spannung.

Erst allmählich findet der Zuschauer den Handlungsfaden, der vom Milieu des Athener Rotlichtbezirks in den Showdown dieser melodramatischen Geschichte führt. Sascha verliebt sich in das Mädchen und will es "retten". Doch als er Natascha nach Hause mitbringt, wirft der Vater den missratenen Sohn und die Hure hinaus. Auf einem öden Gelände am Stadtrand holt Giorgos, der Zuhälterboss, das flüchtige Pärchen ein. Giorgos verblutet auf der heißen Erde, Sascha (Stathis Papadopoulos) erhält im Polizeigewahrsam Gelegenheit, über sein nutzloses Leben nachzudenken. Währenddessen stürzt sein Freund Panagiotis vom Balkon, und der Dritte stirbt am Heroin.

"Am Rande der Stadt" zeichnet das illusionslose Bild einer Wirklichkeit, in der lebensgefährliche Abenteuer die einzige Alternative zu einer stupiden Arbeitswelt darstellen. Doch auch hier gibt es Gesetze - wer sie missachtet, hat keine keine Chance. Die Felder Kasachstans, vergoldet durch das Licht der Erinnerung, liegen weit in der Ferne. Warum sind sie nur weggegangen?, fragt sich der Zuschauer, der vom Nationalismus in der Region nichts weiß.

Das griechische Filmschaffen ist in Deutschland fast nur unter dem Namen Angelopoulos bekannt. Constantinos Giannaris gehört zu den jüngeren Regisseuren, die ein Kino jenseits der Mythen schaffen wollen. Sie experimentieren mit neuen Formen und verwerfen jede konventionelle Glättung. Zum Glück kommt "Am Rande der Stadt" in der Originalfassung, mit deutschen Untertiteln, ins Kino.

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