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Kultur: Am Scheideweg

Den grimmen Stolz des Prometheus, die schlangenhaften Lockungen des Erlkönigs, die schmelzende Danksagung des alte Sängers: Sieht man im gespannten Gesicht von Thomas Quasthoff seine Geistesgegenwart, sein Erstaunen und seinen Schmerz, dann scheinen Schuberts Goethe-Vertonungen unendlich tief ausgelotet.Diesem Sänger nimmt man einsame Höhen und eisige Abgründe instinktiv ab, hängt trunken an seinen Lippen.

Den grimmen Stolz des Prometheus, die schlangenhaften Lockungen des Erlkönigs, die schmelzende Danksagung des alte Sängers: Sieht man im gespannten Gesicht von Thomas Quasthoff seine Geistesgegenwart, sein Erstaunen und seinen Schmerz, dann scheinen Schuberts Goethe-Vertonungen unendlich tief ausgelotet.Diesem Sänger nimmt man einsame Höhen und eisige Abgründe instinktiv ab, hängt trunken an seinen Lippen.Doch schließt man die Lider, da ersterben die poetischen Bilder sogleich, denn zu hören sind sie nicht.Zu hören ist der Wohlklang einer großen Liedstimme, eines Künstlers, der sich glücklich selbst gefunden hat in der Schönheit seines baritonalen Organs.So wandlungsreich der Gesichtsausdruck des Darstellers Quasthoff, so sehr bescheidet sich der Sänger mit einem genüßlichen Legato-Stil, der Schubert in Watte hüllt.Oft wurden im ausverkauften Kleinen Saal des Konzerthauses Vergleiche mit Dietrich Fischer-Dieskau angestellt, dem Titanen des Kunstliedes.Von dessen schneidender Genauigkeit zeigt sich Quasthoff weit entfernt.Dazu mag die Wahl seines Klavierpartners beigetragen haben.Wolfram Rieger, obwohl Dieskau-geschult, schlägt seinen weit geöffneten Steinway oft mit Pedal an und vermeidet somit jede Focussierung des Klangbildes.Zögerlich nur löst er den Fuß vom akustischen Nebelwerfer, so zögerlich, daß unsaubere Schnarrgeräusche auftreten: Lag es an fehlender Absprache zwischen Sänger und Pianist über Phrasierung und Tempi, oder - was weit schlimmer wäre - ist dies Riegers Auffassung vom romantischer Lied? Gegen dieses Aufweichen musikalischer Strukturen begehrt Quasthoff wenigstens einmal, in Mahlers Wunderhorn-Liedern auf."Revelge" gestaltet er plastisch als schaurigen Geisterzug, auch heisere Höhen nicht scheuend.Als Zugabe besingt der körperbehinderte Bariton mit Schuberts "An die Musik" den Trost durch die "holde Kunst" und rührt das Publikum zu stehenden Ovationen.Thomas Quasthoff, ein großer Künstler am Scheideweg, muß entscheiden, wohin ihn seine außerordentliche Begabung künftig tragen soll.

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