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Freizeitspaß. Dieses Foto der Nordsee machte die Königin der Niederlande um 1907.

© Royal Collections, The Hague

Amateurfotografien im Rijksmuseum: Auch die Königin knipste

Jeder fotografiert: Das Rijksmuseum Amsterdam zeigt Amateurfotografien seit dem Ende des 19. Jahrhunderts.

Die Amateurfotografie, die mit dem Aufkommen preisgünstiger und leicht zu tragender Kameras seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in den Niederlanden – wie überall – großen Aufschwung nahm, fand in der jungen Wilhelmina eine begeisterte Anhängerin. Foto-Klubs sprossen aus dem Boden, Fachhandlungen deckten den wachsenden Bedarf. Aus dem Jahr 1907 ist ein ganzes Album mit Fotografien der seinerzeit 27-jährigen Königin erhalten, die ihr geschultes Auge für Lichteffekte verraten, wie die Aufnahme „Nordsee“, die den ein halbes Jahrhundert zuvor entstandenen Fotografien eines Gustave Le Gray visuell kaum nachsteht. Die Fotografie war zum Medium für (beinahe) jedermann und eben auch jedefrau geworden, durch und durch demokratisiert, wie es sich für die egalitären Niederlande von selbst verstand.

Wilhelminas schönes Wolken-und-Wellen-Bild ist in der hinreißenden Ausstellung zu sehen, die das Rjksmuseum, das Nationalmuseum der Niederlande, unter dem Titel „Iedereen fotografeert“, Jeder fotografiert, im Philips-Flügel des Hauses präsentiert. Die Ausstellung ist die dritte in einer Reihe, die den im Wesentlichen in den zurückliegenden fünfzehn Jahren gesammelten Bestand des Museums vorführt. Auf zwei Ausstellungen zur künstlerischen Fotografie, „Modern Times“ zum 20. Jahrhundert im Jahr 2014 und „New Realities“ zum 19. Jahrhundert vor knapp zwei Jahren, folgt nun ein Überblick über die frühe Amateurfotografie. Zugleich wird über die technische Ausrüstung informiert, in Gestalt der immer handlicher werdenden Kameras, die lange vor der Erfindung der Kleinbildkamera eine Vielzahl von Formaten aufwiesen.

Das Niveau der Amateurfotografie ist beachtlich, sofern es Enthusiasten wie Wilhelmina waren, die fotografierten und sich in Clubs über ihr Können austauschten. Häufiger aber wurde, was naheliegt, die Allerweltsfotografie zur Erinnerung an Personen, Familienfeiern und natürlich an Reisen benutzt. Louis Anne Labouchere brachte 1888 Aufnahmen aus dem fernen Texas mit, Willem Toussaint zwei Jahre später aus dem näher gelegenen London. Aber beide Reiseziele erforderten Überfahrten mit dem Schiff (die französischen Namen, das nebenbei, verweisen auf Nachfahren der aus Nordfrankreich gekommenen protestantischen Hugenotten in Holland).

Fotoliebhaber wagten sich an das Autochrome-Verfahren

Gern klebte man Bildserien in Gestalt der Papierabzüge in Alben ein – von wo der Begriff „Album“ aufs heutige Smartphone übergegangen ist. Auch als Amateurreporter betätigten sich Reisende, etwa Theodor Herman de Meester, der 1912 erschütternde Dokumente der blutigen Aufstände in Peking mitbrachte. Théodore van Lelyveld und Hendrik Doijer hielten vor 1900 Szenen aus der niederländischen Kolonie Surinam fest.

Technisch beschlagene Fotoliebhaber wagten sich sogar an das sehr komplizierte Autochrome-Verfahren, das erstmals wirklichkeitsnahe Farbfotografien auf einer einzigen Glasplatte ermöglichte und ab 1907 zur Verfügung stand. So komponierte Jacob Olie Jr. 1913 ein Doppelportrait von sich und seiner Frau Tini, das keinen Vergleich mit professionellen Arbeiten dieser Zeit scheuen muss. Des enormen Aufwandes wegen blieb diese, vor der Erfindung des Farbfilms einzige Möglichkeit der wirklichkeitsgetreuen farbigen Wiedergabe auf wenige Liebhaber beschränkt. Aber man hatte ja Schwarz-Weiß und fotografierte Alltägliches, wie zur gleichen Zeit in Berlin Heinrich Zille, an dessen Aufnahmen so manches in der Ausstellung erinnert.

Erst mit diesem Abschluss der Ausstellungstrilogie – dokumentiert in hervorragenden Katalogen – wird deutlich, wie sehr die Fotografie die Wahrnehmung verändert hat, eben weil es ein Medium der Erinnerung für jeden ist.

Amsterdam, Rijksmuseum, bis 10. Juni. Katalog (niederländisch oder englisch) 39,95 €.

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