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Auf dem Weg ins Netz. Premiere der von Amazon produzierten Serie „Transparent“ in Los Angeles.

© REUTERS

Amazon kommt ins Kino: Angriff auf Hollywood

Künftig will Amazon auch Kinofilme produzieren – und so einen Mentalitätswandel in der Branche erzwingen. Ziel ist es, denn Zeitraum zwischen Kinodebüt und Netzveröffentlichung zu verkürzen.

Amazon polarisiert, doch dahinter steckt eine klare Strategie. Längst ist der 1994 als Versandhaus für Bücher gegründete Konzern zum Weltmarktführer im Internethandel aufgestiegen. Doch das reicht dem Gründer Jeff Bezos noch lange nicht. Nun kündigte das amerikanische Unternehmen an, auch Kinofilme produzieren zu wollen. Was steckt hinter diesem Angriff auf Hollywood?

Schon seit geraumer Zeit bietet Amazon Filme an. Nicht nur als DVD oder Blu-Ray, sondern per Streaming. Der Kunde kann die Filme zu Hause auf dem Computer oder Fernseher sehen. Amazon Instant Video nennt sich dieses Angebot und wird in den USA schon seit 2006 vermarktet. Letztes Jahr wurde der Dienst auf Deutschland ausgeweitet und umfasst hierzulande rund 25 000 Filme und Serien, die im Einzelabruf oder für eine pauschale Gebühr gestreamt werden können. Und da es in diesem Geschäft vor allem auf exklusive Inhalte ankommt, hat der Konzern 2013 damit begonnen, seinen wohl größten Konkurrenten im Streaming-Geschäft Netflix nachzuahmen und selbst Serien zu produzieren.

Noch im selben Jahr erschienen „Alpha House“ und „Betas“ von den eigens dafür gegründeten Amazon Studios. Die Produktion „Transparent“ über das Coming-out eines transsexuellen Familienvaters hat jüngst zwei Golden Globes gewonnen. Eine Auszeichnung, die bisher den großen Kabelsendern wie HBO vorbehalten schien, die mit ihren weltweiten Serienerfolgen wie „Games of Thrones“ oder „Sopranos“ dem Genre neues Leben einhauchten. Allein für dieses Jahr hat Amazon noch 13 neue Serien in den Startlöchern, darunter Produktionen von Steven Soderbergh und Ridley Scott. Jetzt wurde bekannt, dass auch Woody Allen eine Serie exklusiv für die Kunden des Unternehmens entwickeln wird. Wenn also schon halb Hollywood für Amazon arbeitet, erscheint der Schritt ins Kino nur konsequent.

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Jeff Bezos nimmt eigenen Buchverlag als Vorbild

Als Blaupause dient dem Konzern sein Vorstoß auf den Buchmarkt, der damals für viel Unruhe in der Verlagsbranche sorgte. Auch hier setzte der Konzern mit der Einführung des E-Book-Readers Kindle früh auf den digitalen Vertrieb, doch viele der großen Verlagshäuser wollten nicht mitspielen und boykottierten die Plattform. Um die Abhängigkeit von den Buchverlagen zu verringern, gründete das Unternehmen schließlich seinen eigenen Verlag Amazon Publishing, der seit 2014 auch in Deutschland aktiv ist. Dabei wurde das Programm von Anfang an auf die Lesegewohnheiten der Kindle-Leser ausgerichtet. Einzelne Bücher kommen aber auch als Taschenbuch oder Hardcover heraus. Zwar blieb der kommerzielle Erfolg bisher aus, weil kaum renommierte Autoren verpflichtet werden konnten. Doch hat der Aufschlag des Konzerns sein Ziel keinesfalls verfehlt. Inzwischen sind immer mehr Neuerscheinungen direkt auf dem Kindle verfügbar. Mehr Angebot, mehr Kunden, mehr Einnahmen. So einfach ist die Logik, die Amazon antreibt.

Jetzt will der Konzern auch einen Mentalitätswandel in der Kinobranche erzwingen. Ziel sei es, zwölf Filme jährlich zu produzieren. Ende des Jahres soll die erste Kinoproduktion anlaufen und schon vier bis acht Wochen später auf der hauseigenen Videoplattform verfügbar sein. Dabei ist Amazon nicht der erste Streaming-Anbieter, der Kinofilme produzieren will. So hat Netflix schon vor einiger Zeit angekündigt, vier Filme mit Adam Sandler zu drehen, die zuerst im Kino zu sehen sein sollen.

Das veranschlagte Budget von 5 bis 25 Millionen Dollar pro Film zeigt aber, dass Amazon gar nicht ernsthaft in Konkurrenz zu den großen Hollywood-Studios treten will. Denn echte Blockbuster kosten locker über 100 Millionen Dollar. Vielmehr will Amazon Kinofilme zum Preis von Serien produzieren. So kostet die neue Netflix-Serie „Marco Polo“ neun Millionen Dollar pro 60-Minuten-Folge. Bei der durchschnittlichen Länge eines Kinofilms von 120 Minuten entspricht das geplante Budget also ziemlich genau dem, was heute schon für Serien ausgeben wird. Mit dem einzigen Unterschied, dass durch die Verwertung im Kino eine zusätzliche Einnahmequelle erschlossen wird.

Amazon erhöht Druck auf Hollywood

Nun könnte man meinen, die Ankündigung von Amazon sei nur ein PR-Coup. Doch ist sie vor allem eine Machtdemonstration, die den Druck auf Hollywood erhöhen soll, seine Kinofilme zeitnah ins Netz zu bringen anstatt wie bisher die klassische Verwertungskette von der Ausstrahlung im Pay-TV bis zum DVD-Verkauf einzuhalten. Der Zeitpunkt der Ankündigung ist gut gewählt. Der Erfolg der Nordkorea-Satire „The Interview“, der erst wegen Terrordrohungen abgesagt und dann parallel im Kino und Internet veröffentlicht wurde, scheint das Argument der Studios zu widerlegen, dass sich im Netz kein Geld verdient lässt.

Bis heute hat die 44-Millionen-Dollar-Produktion schon 40 Millionen Dollar im Netz eingespielt – gegenüber sechs Millionen Dollar an den Kinokassen. Obwohl der Film bisher nur in den USA und Kanada abrufbar ist. Durch einen verkürzten Zeitraum zwischen Kinodebüt und Netzveröffentlichung könnte Amazon die Attraktivität seines Streaming-Dienstes steigern und zugleich stärker am Erfolg Hollywoods mitverdienen. Dabei folgt der Vorstoß ins Kino demselben Kalkül wie der Einstieg ins Verlagsgeschäft. Nach dem Motto: Wenn ihr unsere Forderung nicht erfüllt, dann machen wir es eben selber.

Mattes Lammert

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