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Kultur: Amie Dicke

Das klassische Thema von Künstler, Modell und Betrachter erfährt in der aktuellen Ausstellung bei Peres Projects eine unerwartete Wendung. Die junge niederländische Künstlerin Amie Dicke lässt sich von den Akten Helmut Newtons inspirieren, von der Kraft, die er seinen Modellen verliehen hat.

Das klassische Thema von Künstler, Modell und Betrachter erfährt in der aktuellen Ausstellung bei Peres Projects eine unerwartete Wendung. Die junge niederländische Künstlerin Amie Dicke lässt sich von den Akten Helmut Newtons inspirieren, von der Kraft, die er seinen Modellen verliehen hat. Sie verwischt die Trennung gängiger Rollenzuweisungen.

Das galt schon für ihre Papierarbeiten, mit denen sie in den letzten Jahren bekannt geworden ist. Mit scharfer Klinge hat sie Models aus den Hochglanzseiten internationaler Modezeitschriften in finstere, leeräugige, aber auch verführerische Zombies umgewandelt, indem sie sie auf ein elegantes, zerbrechliches Liniengeflecht reduziert. Dadurch wurden die lasziv hingestreckten Körper ihrer Struktur beraubt, entkleidet, als Projektionsfläche umgedeutet, und grafisch anonymisiert – bis sie zu beunruhigenden und dennoch sexy wirkenden Monstern wurden.

Diesen präzisen Anschlag auf das perfekte Frauenbild in der Werbung hat die Künstlerin in ihren neuen Installationen und Skulpturen um eine persönliche Facette erweitert (Preise auf Anfrage). Beinahe wie Mumien hat die Künstlerin ihren privatesten Besitz, Schrank, Sofa, Tisch und das Schminktischchen mit Spiegel, in dem sie sich selbst hat aufwachsen sehen, unter einem Mantel dicken schwarzen Klebebandes verschwinden lassen. Wie Kulissen sind die Gegenstände auf ihre Form reduziert, alles Persönliche scheint verschwunden, wären da nicht drei Gipsabgüsse, die einen Raum abformen, den die Künstlerin als ihr allerletztes Eigentum reklamiert: der Raum zwischen ihren Beinen.

Diese erstarrten negativen Räume wirken wie eine Umkehrung des Machtverhältnisses von Marcel Duchamps berühmtem Vagina-Abguss „Weibliches Feigenblatt“. Jede Hautpore von Amie Dickes Beinen hat sich hier abgebildet, wie auch die Nähte der hochhackigen Schuhe, die sie trägt. Dem latenten alltäglichen Sexismus setzt die Künstlerin eine aggressive künstlerische Haltung von sinnlicher und prekärer Verbindlichkeit entgegen, die zwischen Präsenz und Abwesenheit oszilliert – und nachhaltig fasziniert (Schlesische Straße 26, bis 22. April, Dienstag bis Sonnabend 12 – 18 Uhr) .

Andreas Schlaegel

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