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Kultur: Amt und Hürden

Konflikte, Koalitionen, Kandidaten: die CDU und die Bundeskulturpolitik

Ausgerechnet mit Kulturthemen war Gerhard Schröder bei seinem ersten Wahlsieg 1998 vorgeprescht. Und hatte Tatsachen geschaffen. „Ein Regierungswechsel führt nicht zu einer Neuerschaffung der Welt“, hat Norbert Lammert, kultureller Vordenker der CDU, unlängst gesagt, „und auch ein neuer Kulturstaatsminister findet keine unbebaute Fläche vor, sondern eine präjudizierte Lage.“

Das besagt nichts anderes, als dass die zu Beginn der rot-grünen Regierung durch ein eigenes Amt bekräftigte Bundeszuständigkeit für Kultur auch unter einer Kanzlerin Merkel erhalten bleibt. Ob nun, wie bisher, in Gestalt eines Kulturstaatsministers im Kanzleramt oder gar eines veritablen Kulturministers, wie zum Beispiel in Frankreich, ist offen.

Es gilt das Bekenntnis zu einer originären Kulturkompetenz des Bundes – wie es Lammert, zum Erstaunen einiger Länderfürsten, bereits kurz nach der Installierung des SPD-Staatsministers Michael Naumann damals abgegeben hat. Möglicherweise aber stellt sich im Herbst die Frage nach der Ausgestaltung und dem Zuschnitt des Amtes – und seiner Aufwertung. Allzu viel Hausmacht besitzt ein Staatsminister für Kultur nicht.

Einen „Rückfall in den status quo ante“, so Lammert, wird es also nicht geben. Dieser frühere Zustand sah so aus, dass die Kultur als Abteilung des Innenministeriums betreut wurde. Doch die Kulturpolitik des Bundes begann nicht erst mit Michael Naumann. Dass Lammert Naumann heute bescheinigt, „für die Etablierung des Amtes eine beachtliche Wirkung“ entfaltet zu haben, spricht Bände – für die längst erreichte Gemeinsamkeit quer durch alle Parteien. Und sollte das Naumann-Lob irgendeinem CDU-Granden unangenehm aufgestoßen sein, so könnte er sich mit Lammerts Hinweis beruhigen, „dass der Bund in der Amtszeit von Helmut Kohl seine Aufwendungen für Kultur mehr als verdoppelt“ hatte. Kohl war der erste Kanzler, der – mit Blick auf Berlin – Bundeskulturpolitik betrieb. In seinem Staatsminister Anton Pfeifer und auch im zeitweiligen Bundesbauminister, dem humanistisch hoch gebildeten Oscar Schneider, hatte er Kulturpolitiker um sich. Christoph Stölzl, damals noch Direktor des Deutschen Historischen Museums Berlin – nebenbei auch ein Kohl-Projekt –, muss hinzugezählt werden, wuchs er doch über die Rolle des Beraters mehr und mehr in die des (Mit-)Machers hinein, zum Beispiel bei der Umgestaltung der Neuen Wache in Berlin als Kriegsopfer-Gedenkstätte.

Stölzls Name fällt stets, wenn über die Besetzung eines CDU-Bundeskulturamtes gleich welchen Zuschnitts spekuliert wird. Der als Chef der Berliner Landes-CDU ebenso gescheiterte wie vergraulte Stölzl ist allerdings beim Kampf um den Pankower Bundestagswahlkreis soeben überaus deutlich Günter Nooke unterlegen. Nooke verstärkt die Ost-Fraktion in der CDU, und er ist seinerseits kulturpolitisch aktiv.

Ob Stölzl die Absicherung über die Landesliste gelingt, ist unklar. Da steht eine andere Kultur- und vor allem Bildungspolitikerin obenan: Monika Grütters. Seit vielen Jahren im Berliner Abgeordnetenhaus tätig, aber in der elend provinziellen Berliner CDU ungeachtet ihrer Kärrnerarbeit niemals wohl gelitten, tritt sie – nach einem diskreten Machtwort von Angela Merkel – im Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf an. Das ist zwar angesichts der betonharten PDS-Dominanz im Plattenbaubezirk eine reine Zählkandidatur, dürfte ihr aber als Novizin im Bundestag den Respekt verschaffen, im Interesse der Partei keine Mühe zu scheuen. Dass Grütters ganz obenan auf die Landesliste kommt, ist sicher: Auch da gibt es einen Wink von derjenigen, die wohl im Herbst Posten und Pfründe vergeben wird.

Ob Angela Merkel sich dann einen der Berliner Kulturpolitiker ins Kanzleramt holen wird, hängt nicht zuletzt vom Gesamttableau der Ämterverteilung ab. Die CDU wacht mit Argusaugen über den Länderproporz. Erster Anwärter wäre das nordrhein-westfälische Schwergewicht Lammert, der eben schon einige Jahre als kulturpolitischer Sprecher seiner Partei agierte. Dass der 1948 geborene Bochumer, nach neun Jahren als Staatssekretär, nunmehr seit 2002 als Vizepräsident des Bundestages amtiert, unterstreicht nur seinen innerparteilichen Rang. Es macht aber zugleich die allenthalben geäußerte Vermutung glaubhaft, Lammert strebe nach gewonnener Wahl das Amt des Bundestagspräsidenten an. Das wäre, nebenbei bemerkt, eine hübsche Kontinuität der Bundeskulturpolitik. Denn auch der amtierende Bundestagspräsident, der Sozialdemokrat Wolfgang Thierse, hat sich stets kulturpolitisch engagiert.

Geht es in der CDU um Kulturpolitik im Bund, wird oft auch Annette Schavan genannt, die baden-württembergische Ministerin für Kultus, Jugend und Sport. 1955 geboren, gehört sie bereits zur Nach-68er-Generation. Sie steht, so ist zu hören, bei Angela Merkel obenan für die Besetzung des Bildungsministeriums. Sollte die Kultur in einer schwarz-gelben Regierung allerdings in einem vollgültigen Ministerium ressortieren, so würde dies – Lammert zufolge – kein ausschließlich für Kultur zuständiges Haus sein. Im Umkehrschluss böte sich die Angliederung an das Bildungsministerium an, wobei Schavan dann wohl einen Kultur-Staatssekretär benennen würde.

Nun halten derlei Personalspekulationen zwar den Berliner Betrieb in Atem. Doch inhaltlich ist damit nichts gesagt. Da nämlich warten drei dicke Probleme auf eine schwarze oder schwarz-gelbe Kulturpolitik, die schon Rot-Grün auch nicht im Ansatz hat lösen können. Es sind dies erstens das Föderalismusproblem, also die Frage des Verhältnisses von Bundes- und Länderzuständigkeiten; zweitens – damit verbunden – die Rolle des Bundes in seiner Hauptstadt Berlin; und drittens die Gestaltung der auswärtigen Kulturpolitik.

Die Föderalismusreform ist gescheitert, vorerst. Die seltene Situation, dass Bundestag und Bundesrat auf mehrere Jahre hinaus dieselben stabilen Mehrheiten aufweisen werden, wird es für eine Merkel-Regierung allerdings zwingend machen, dieses Grundproblem der bundesdeutschen Staatskonstruktion zeitgemäß zu regeln. Ob der vor allem aus dem Süden kommende, erbitterte Widerstand gegen alle kulturellen Bundesaktivitäten mehr ist als Widerstand gegen Rot-Grün, sondern Fundamentalopposition gegen den Bund, wird sich zeigen müssen. Jüngst drohte Baden-Württemberg mit einer Verfassungsklage gegen die Übernahme der Berliner Akademie der Künste durch den Bund.

Was die Rolle Berlins als kulturelle Hauptstadt angeht, so tun sich die traditionell strikt föderalen CDU-Granden schwer. Lammerts Vorstoß, die Not leidende Staatsoper Unter den Linden in Bundeshand zu übernehmen, weckte bei Parteifreunden nicht gerade Begeisterung. Bayern hatte sich mit seinem, aus dem Verkauf von Staatsbeteiligungen finanzierten „Zukunftsprogramm“ für Museumsneubauten in München, Nürnberg und Schweinfurt nach der Wiedervereinigung bewusst gegen den Bund positioniert. Zu Berlin hat der bundespolitisch zaudernde CSU-Chef Edmund Stoiber bislang kein rechtes Verhältnis gewonnen. Und zur auswärtigen Kulturpolitik ist von der CDU jetzt ohnehin nichts zu vernehmen. Wie auch! Die Besetzung des nächst dem Kanzler wichtigsten Postens, des Außenministers, wird Stoiber zuliebe bis nach der Wahl offen gehalten. Schröders Kulturstaatsministerin Christina Weiss ist mittlerweile aufgegangen, dass die Ressortierung der auswärtigen Kulturpolitik – das betrifft zum Beispiel das Goethe-Institut – beim Außenministerium ein Fehler ist.

Unter dem Grünen-Frontmann Fischer war daran nicht zu rütteln. Ob hier ein großer Schnitt möglich sein wird, hängt wiederum mit der Koalitionsarithmetik zusammen. Wie überhaupt die Bundeskulturpolitik eine Frage ist, die erst am Ende behandelt werden dürfte. Diesmal kommt die Kultur zuletzt.

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