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Kultur: An der Basis

Die deutsch-russische Museumsarbeit geht voran

Elena Sergeevna sitzt in der Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin und schwärmt: von den technischen Möglichkeiten der deutschen Museen, von der Melancholie-Ausstellung der Neuen Nationalgalerie, vom Filmmuseum und seiner Präsentation. Zwei Monate lang war die junge Museumsfrau aus Omsk Gast in Berlin und hat ihre Zeit genutzt. Fragen wie die Digitalisierung der Bestände, Marketing, Sponsorensuche haben sie interessiert. Davon wird sie Anregungen mit nach Hause nehmen.

Beutekunst, das Sorgenthema, das das deutsch-russische Museumsverhältnis stets belastet, spielt für Sergeevna keine große Rolle. Sie hätten in Omsk keine „Trophäen“, wie die Beutekunstbestände in Russland heißen, erklärt sie. Das dortige Landesmuseum, spezialisiert auf Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts, auf Kostüme, Porzellan und Grafik, ist eines der größten russischen Landesmuseen – und besteht seit 1925. Zweifel an der Provenienz gebe es eher dadurch, weil sich die Bestände auch aus konfiszierten Privatsammlungen in Folge der russischen Revolution zusammensetzen. Doch Herkunftsforschung ist in Moskau, wo russische Museumsarbeit immer noch zentralisiert geleitet wird, nicht gern gesehen.

Die Deutsche Management-Akademie Niedersachsen bietet derzeit einen bemerkenswerten Einblick in die deutsch-russische Basisarbeit. 23 russische Museumsleute sind zu Gast in Deutschland, in den verschiedenen Museen. Mag auch auf höchster Ebene immer wieder um das Thema „Beutekunst“ gerungen werden – gerade hatten Stiftungspräsident Lehmann und Bundeskulturminister Neumann an Russland appelliert, die über eine Million Kunstschätze aus den Depots der russischen Museen lagern zurückzugeben –, die nachwachsende Generation beschäftigt sich lieber mit Fragen des Marketings, des Internetauftritts und der Zusammenarbeit. Und trägt damit mehr zur Entkrampfung bei als alle Kanzlerinbesuche im Tomsk.

Auch Günther Schauerte, stellvertretender Generaldirektor der Staatlichen Museen, lobt den neuen Dialog. „Normalerweise konzentrierten sich die Kontakte auf die Zentren Moskau und St. Petersburg, und man redete über die Museumsleitungen miteinander. Mit den jungen Kollegen, die wir jetzt kennen lernen, werden wir hingegen die nächsten Jahrzehnte zusammenarbeiten. Das hat eine neue Qualität.“ Früher, erzählt er, hätte man bei einem Austausch eine ganze Delegation mit offiziellen Vertretern im Haus gehabt. Jetzt bewegten sich die Kollegen ganz selbstverständlich miteinander. Der Austausch sei weniger belastet durch die schwierige deutsch-russische Vergangenheit.

Es gebe Projekte, so Schauerte, die schon jetzt von einer geradezu idealen Zusammenarbeit lebten: etwa die Schwarzmeerarchäologie in der Ukraine, mit Wissenschaftlern aus allen Ländern. Auch die im kommenden Jahr geplanten Ausstellungen zu den Merowingern (in Russland) und den Skythen (in Deutschland) sollen durch russische und deutsche Wissenschaftler gemeinsam betreut werden. „Früher hatte man eine Mauer im Kopf. Doch in den letzten Jahren sind wir hier entscheidend weitergekommen.“ Und irgendwann wird man auch wieder neu über Beutekunst sprechen können.

Christina Tilmann

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