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Kultur: André Butzer in der Berliner Galerie Contemporary Fine Arts

Schlägt das Imperium zurück? Vor einem Jahr begab sich die "Akademie Isotrop", jener Zusammenschluss von Hamburger Künstlern, Musikern, Autoren, der sich abseits der Zwänge und Vereinnahmungen der Institution "Kunst" positioniert, auf das Terrain des Kommerziellen und stellte seine Produktion bei Contemporary Fine Arts vor.

Schlägt das Imperium zurück? Vor einem Jahr begab sich die "Akademie Isotrop", jener Zusammenschluss von Hamburger Künstlern, Musikern, Autoren, der sich abseits der Zwänge und Vereinnahmungen der Institution "Kunst" positioniert, auf das Terrain des Kommerziellen und stellte seine Produktion bei Contemporary Fine Arts vor. Ihren Schritt in die Unwägbarkeiten des Kunstmarktes bezeichneten die Akademiemitglieder damals als "kleineres Politikum" und setzten sich in Wort und Tat schon mal prophylaktisch gegen den Vorwurf des Ausverkaufs zur Wehr: Auf Produzentennamen wurde diskret verzichtet, um das Künstlersubjekt nicht unnötig ins Rampenlicht zu zerren, und auch die bewusst ramschige Präsentation verstand sich als Hemmschwelle für den strategischen Zugriff des Marktes auf bestimmte Handschriften.

Ein Jahr später ist das anders. Jonathan Messe ist längst Erstligist mit Profi-Vertrag, und auch André Butzer, Gründungsmitglied der "Akademie Isotrop", steckt in den Startlöchern zur Solokarriere. Bei Contemporary Fine Arts zeigt er jetzt seine erste Einzelausstellung, die in Opulenz nur so schwelgt: Malerei im Großformat, Gold und Neon, farbiger Pomp in Öl. Auch die Signatur prangt exponiert auf der Leinwand. Die Bildtitel jedoch verkünden das Kontrastprogramm zu so viel Oberflächenambiente. "Atomherzog", "Hasenpest", "Parasiten und Wölfe" oder einfach nur "Schande" (jeweils 8000 Mark) - ein Kosmos des Grauens in Multicolor. Kompensiert wird dieser thematische Terror durch die Welt der Comics und ihre stilistischen V-Effekte, auf die sich nicht nur die großen Kulleraugen von Butzers Figuren beziehen. So wird die tägliche TV-Dosis Mord und Totschlag am Ende doch noch zum Aufhänger für ein überbordendes Panoptikum, das mit juveniler Begeisterung eine neue Spielart der Kategorie "Realismus" zu erproben gedenkt. Denn letztlich präsentieren sich Butzers Bilder, ihrer Ästhetik zwischen Geisterbahn und "Mars Attacks!", Oberfläche und Röntgenblick zum Trotz, als dezidierter Versuch über die Malerei, in dem das Verhältnis von Fläche und Volumen, Bildhierarchie und Komposition mindestens so wichtig ist wie der vordergründige Inhalt.

"Der Realismus bereut nichts!" skandiert es mehrstimmig von der Leinwand. Die mangelnde Einsicht in ihre eigene historische Überkommenheit macht aus der realis

tischen Methode den wahren Feind. Wenn Butzer in sein Gemälde "Schande" ein abgemaltes Foto von Aleister Crowley integriert, verschwindet dieser unter grauen Farbschichten, um gleich daneben als phantasmatisches Farbwesen neu zu entstehen. Auch das realistische Bildnis von Karl dem Großen im "Atomherzog" ist nur noch Schatten seiner selbst. So verblassen die grauen Herren der Vergangenheit vor den fluoreszierenden Gestalten des Jetzt, die direkt der Farbtube entsprungen sind.

Ein Restposten Realismus wird an die Sprache delegiert, die der Leinwand hilfreich zur Seite steht. Weil der atomare Fall-Out auf den "Atomherzog" als weißer Tropfenschleier niederregnet, steht in der oberen Bildecke einfach "Schnee". Und auf der Rückseite der Leinwand herrscht ohnehin manifestartige Setzung und kryptischer Kommentar: "Wir sind Vorläufer. Wir sind Jupiter. Wir sind die Schneeflocken, die der Atomherzog schneien lässt, als Beweis seiner Liebe und seiner Formlosigkeit. Wir sind Töchter und Söhne der H-Menschen."

Das ist das ewige Drama von Figur und Raum, Hierarchie und Hackordnung, bildmächtig inszeniert. André Butzer fügt der Figuration die zum Überleben nötige Metaebene hinzu und reklamiert das Genre Malerei für die jüngere Generation. So wird man Meisterschüler einer Akademie, die keine Akademie sein will und trotzdem ziemlich kunstmarkttaugliche Absolventen produziert.Contemporary Fine Arts, Sophienstr. 21 bis 8. April; Dienstag bis Sonnabend 11-18 Uhr.

Vanessa Müller

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