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Unbeirrbar. Andreas Dorau.

©  Bureau B

Andreas Dorau: Bibliothek der großen Gefühle

Stil und Plastik: Der Hamburger Sänger Andreas Dorau feiert seinen 50. Geburtstag mit den zwei Alben "Aus der Biliotheque" und "Hauptsache Ich – Best Of". Eine Begegnung.

Hätte Andreas Dorau in einer schwachen Minute den Verlockungen des schnellen Geldes nachgegeben, würde er seinen morgigen 50. Geburtstag vielleicht anders feiern. Statt in Berlin und Hamburg Konzerte zu geben mit coolen Freunden und Wegbegleitern aus der deutschen Indie- und Danceszene als Gästen, würde er bei Oliver Geissen auf dem Sofa rumhocken, tausendmal erzählte Geschichten aufwärmen und später zum Vollplayback tapfer die Lippen zu den Klängen seines NDW-Hits „Fred vom Jupiter“ bewegen, den Atze Schröder vorher mit einem unlustigen Spruch kommentiert hätte.

Oft genug habe man ihm angeboten, in einer dieser Achtziger-Jahre-RevivalShows aufzutreten, die neuerdings von den Neunziger-Jahre-Revival-Shows verdrängt werden, erzählt Andreas Dorau. Und er erzählt es so dermaßen naserümpfend, dass man nicht auf die Idee kommt, dass er sich mal überlegt hätte, mitzumachen. Außerdem, sagt er, bekomme man gar nicht mal so viel Geld dafür. Jedenfalls nicht genug, um dafür seine Würde in der Umkleide abzugeben.

In der Oliver-Geissen-Welt mag Andreas Dorau auf ewig nur der Typ sein, der mit „Fred vom Jupiter“ diesen Hit mit dem witzigen Text hatte und von dem man danach nie wieder etwas gehört hat. Ein klassischer One-Hit-Wonder-Interpret eben, scheinbar perfekt geeignet für ein paar Schenkelklopfer-Anekdoten. Der Song entstand damals im Rahmen eines Schulprojekts, landete beim Düsseldorfer Undergroundlabel Ata Tak und wurde zum überraschenden Megahit eines damals 16-Jährigen. Er hat inzwischen mehrere NDW-Revivals überlebt und gehört zum Standardrepertoire von Studenten- und Ü-30-Partys. Dass er ein richtig tolles Synthiepopstück von bleibender Qualität ist, sollte dabei aber nicht verschwiegen werden.

Mit Popperscheitel und Bübchengesicht sieht er nicht wirklich aus wie 50

In Wahrheit kam nach „Fred vom Jupiter“ noch so einiges mehr von Andreas Dorau, mit „Aus der Bibliotheque“ erscheint nun neben einer Best-of-Sammlung immerhin bereits die neunte Platte des Hamburgers. In 35 Jahren mag das kein wahnsinnig großer Output sein, aber jedes Jahr eine weitere Platte, das hätte Dorau wohl genauso wenig gebraucht wie eine ihm noch so zugetane Hörerschaft.

„Routine“, sagt der Sänger, der mit seinem Popper-Seitenscheitel und dem Bübchengesicht wirklich nicht aussieht wie 50, „hat so einen Beigeschmack für mich. Ich habe immer darauf geachtet, zwischen den Platten und wenn es finanziell mal eng wurde, noch woanders Geld herzubekommen.“ An der Hochschule für Film und Fernsehen in München hat Dorau Ende der achtziger Jahre studiert und seitdem immer mal wieder in der Filmbranche gearbeitet, so dass er nie auf eine Popmusikkarriere angewiesen war, für die man auch mal Kompromisse eingehen muss.

Das ist ja sowieso der Clou bei Dorau, dass er sich gern mal rauszieht aus dem Popding und dann wieder einbringt, scheinbar so, wie es ihm gerade gefällt. „Zweimal im Jahr auf Tour gehen, den Fan bedienen, das Spielchen wollte ich noch nie mitspielen“, sagt er. Vor ein paar Monaten erst ist er bei einem kleinen Berliner Festival aufgetreten. Gegen Mitternacht stand er mit Band auf einer kleinen Bühne vor ein paar Zuschauern und legte eine grandiose Show hin. Einfach mal so, ohne große Ankündigung.

Stil und Grandezza hatte Andreas Dorau schon immer, wenn auch nicht immer alles Gold war, was er produziert hat. „Welten, die normalerweise nichts miteinander zu tun haben, aufeinandertreffen zu lassen“, darum gehe es ihm. Schlager, Kitsch und Plastikpop war für Dorau noch nie ein Widerspruch zu Kunstmusik und Klangavantgarde.

Eine schlichte Gitarrenplatte, die sich nirgendwo anbiedert, soll "Aus der Bibliotheque" sein

Auch wie Dorau sich gegen Vereinnahmungen aller Art stets sträubte, zeigt echte Popstarklasse. So wie er sich heute dagegen wehrt, als NDW-Kasper aus den Achtzigern wahrgenommen zu werden, schaffte er in den Neunzigern das Kunststück, Teil der deutschen Dance-Szene zu sein, ohne es freilich wirklich zu sein. Gut, er nahm Dance-Platten auf, aber er sang dazu seine typischen ironisch-witzigen Dorau-Texte und so etwas war damals, wenn man nicht in die Nähe von Blümchen oder Ähnlichem gerückt werden wollte, eigentlich verboten. Heute, nach Alexander Markus mit seinem Schlager-Techno und zu Zeiten von Helene Fischers Techno-Schlagern, bringt Andreas Dorau mit „Aus der Bibliotheque“ wieder eine Platte heraus, die sich nirgendwo anbiedert. Trends oder Gegentrends hat sie nicht im Auge, es sei schlicht eine „Gitarrenplatte“, sagt Dorau. Zumindest eine, die wieder richtig mit Band, mit Gitarre, Schlagzeug, Bass aufgenommen wurde. Es ist vielleicht nicht die aufregendste Dorau-Platte, doch an einem runden Geburtstag sollte das egal sein.

Anfragen für Neunziger-Shows könnten auf Andreas Dorau übrigens noch zukommen. Jedoch eher aus Frankreich. In den Neunzigern hatte er ja doch noch einen zweiten Hit-Moment. Mit seinem Dance-Popsong „Girls In Love“. Aber leider und bizarrerweise nur in Frankreich, ohne dass das hierzulande groß registriert wurde. „Es war wie ein Ausflug“, erinnert sich Dorau. „Nach Frankreich fahren, Star sein und zurück in Deutschland in seinem Rattenloch verschwinden.“ Schön, dass er dort zu seinem Geburtstag noch mal rauskrabbelt.

Andreas Dorau: „Aus der Bibliotheque“ und „Hauptsache Ich – Best of“ erscheinen bei Bureau B; Konzert: 25.1. im Bi Nuu

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