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András Schiff|

© dpa

András Schiff im Kammermusiksaal: Eine Art von Verkleinerung

András Schiff spielt Bach, Bartók und Janácek.

Kinder verdienen nur das Beste, meint Sir András Schiff zu Beginn seines Klavierabends im Kammermusiksaal. Sein Programm meint der große, vor allem für seine Schubert- und Beethoven-Interpretationen gerühmte Pianist erläutern zu müssen, denn zumindest die ersten Stücke erklingen üblicherweise nicht im Konzertsaal. Die großen Komponisten haben immer auch für den Nachwuchs geschrieben, Didaktik und Kunstanspruch subtil verbindende Werke. So wechseln zunächst Bachs zweistimmige Inventionen mit einer Auswahl aus Bartóks Sammlung „Für Kinder“. Bartóks Verarbeitung der von ihm gesammelten Volksliedmelodien fußt zwar auf Kompositionstechniken von Bach, bei Klang und Ausdruck liegen jedoch Welten zwischen den Komponisten.

So folgt nach der fröhlich hüpfenden Es-Dur-Invention ein tiefer Fall in slawische Melancholie, der in Schiffs klangsensibler Darbietung nichts „Kindliches“ mehr anhaftet. Der interessanteste, wahrhaftigste Moment dieses Abends. Denn auf die Dauer gerät der Wechsel zwischen fließender, auch im Ausdruck „wohltemperierter“ Polyphonie und motorisch-tänzerischen, allzu sehr in der Diktion von Kinderreimen gehaltenen Nummern ein wenig gleichförmig.

Weichzeichnende Klanglichkeit ohne rechte Schärfe

Bartóks „Burlesken“ könnten aus der Kinderwelt herausführen, doch auch sie serviert Schiff mit leise nostalgischem Lächeln in weichzeichnender Klanglichkeit, ohne rechte Schärfe. Den jeweiligen Charakter des „Zänkischen“ oder „leicht angeheiterten“ stellt er mit pittoresker Deutlichkeit heraus, belässt sie im Harmlosen, leicht Betulichen. Auch Janáceks Zyklus „Auf verwachsenem Pfade“ und Schumanns „Davidsbündlertänze“ geraten in einen quasi pädagogischen Sog, müssen eine Art Verkleinerung hinnehmen. Janácek, der hier den Schmerz um den frühen Tod seiner Tochter Olga verarbeitet, gerät ins Fahrwasser der Bartókschen Kinderstücke, verliert den doppelten Boden und ist das Kinderspiel selbst – statt schmerzliche Erinnerung daran.

Schumann verliert ebenfalls an Komplexität, vielleicht durch Schiffs Neigung, melodische Entwicklungen über Gebühr herauszustellen und die Mittelstimmen zurückzudrängen. „Wild und lustig“ wird es nur selten, weil die Leidenschaft fehlt. Und vielleicht auch ein wenig die Kraft, Träumerisches nimmt jedoch nach wie vor durch Schiffs singenden, silbrigen Ton gefangen. Eusebius’ „Seligkeit“ zum Schluss verliert sich dann in zu rascher Beiläufigkeit, als glaubte der Pianist selbst nicht recht an sie. Als sei die Seligkeit Kindern nicht zumutbar.

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