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Kultur: Andruck

Christiane Peitz schreibt die schnellste Glosse der Welt Einmal tief Luft holen und nix wie los: Computer anschalten, Agenturmeldungen aufrufen und hurtig überfliegen. Da, die Meldung vom schnellsten Buch der Welt, klingt ziemlich gut.

Christiane Peitz schreibt die schnellste Glosse der Welt

Einmal tief Luft holen und nix wie los: Computer anschalten, Agenturmeldungen aufrufen und hurtig überfliegen. Da, die Meldung vom schnellsten Buch der Welt, klingt ziemlich gut. Ab damit auf den Glossenplatz, das geht kinderleicht mit Hilfe der Computertaste F3. Die Stiftung Lesen will das „schnellste Buch der Welt“ herausbringen. Laut Geschäftsführer Heinrich Kreibich – schöner Name, aber der, keine Zeit, wird jetzt nicht glossiert, außerdem gilt: no jokes on names – also laut Herrn Kreibich sollen „von der Idee bis zum Verkauf nur zwölf Stunden vergehen“. Das Werk will am 23. April, dem Welttag des Buches verfasst sein, unter Beteiligung von etwa 40 Autoren, darunter HannsJosef Ortheil, F.W.Bernstein, Steffen Kopetzky und der Ostberliner Autorin Katrin Askan. Um 7.45 Uhr erhalten sie ein Thema, dann müssen sie auf der Stelle schreiben, damit das 96 Seiten dünne Büchlein in Weilerswist (schöner Name ...) bei Köln bis 19 Uhr von Hand (!) gefalzt, geschnitten, gebunden und gedruckt sowie mit dem Zug in zehn Städte gebracht werden kann, auf dass es noch am gleichen Abend in Frankfurt, Hamburg, Leipzig und Göttingen zum Verkauf ausliegt. Ein Mitarbeiter der Uni Marburg stellt zeitgleich die erste Rezension ins Netz, unter www.literaturkritik.de . Mann, sind die fix!

Gemach, gemach. Erst mal einen Kaffee holen. Unsereins weiß um 7.45 Uhr nämlich nicht einmal, wie sich Kaffee schreibt, und ein Thema gibt es sowieso frühestens nach Tisch. Wir kochen zwar nicht von Hand, aber wir telefonieren beim Nachdenken über das Thema zwischendurch mit den Kollegen, denken uns andere Themen für sie aus und überfliegen Agenturmeldungen. Wenn wir dann mit den 40 übrigen Autoren eine kurze Weile lange nachgedacht haben, wird das Werk gegen 18.30 Uhr von den Maschinen der Druckerei nebenan gedruckt, gefalzt, geschnitten und mit dem Zug in weit mehr als zehn Städte gebracht. Göttingen und Marburg sind auch dabei. Gewonnen! Und hierkommt die älteste Pointe der Welt: Das schnellste Buch der Welt gibt es längst. Man nennt es Tageszeitung.

PS: All jene Texte, die am 23. April nicht rechtzeitig fertig werden, erscheinen als „zweitschnellste Bücher“. Zweitschnellst? Bei uns heißt das Spätausgabe.

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