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Beutekunst? Große königliche Statuen des Königreichs Dahomey aus den Jahren 1890-1892 im Quai Branly Museum-Jacques Chirac.

© Gerard Julien/AFP/dpa

Anfrage an die Bundesregierung: Wie die AfD mit Museumsbesitz aus Kolonialzeiten umgeht

„Schauplatz ideologischer Einflussnahme“: Die AfD hat im Bundestag eine Große Anfrage zu Kunst aus der Kolonialzeit an die Bundesregierung gestellt.

Noch gut in Erinnerung ist das Erschrecken, als es an die Besetzung der Ausschüsse im neu gewählten Bundestag ging. Ein paar Tage lang spielte die Fraktion der AfD mit dem Gedanken, den Vorsitz des Kulturausschusses zu übernehmen. Schnell wurde bundesweiter Protest artikuliert. Es kam dann nicht dazu; vielmehr übernahm die weithin unbekannte SPD-Abgeordnete Katrin Budde den Vorsitz, und die AfD freute sich stattdessen über den Vorsitz im wichtigeren Haushaltsausschuss, der ihr nach parlamentarischem Brauch als größter Oppositionspartei zustand.

Damit hat sich der kulturpolitische Ehrgeiz der AfD indes nicht erledigt. Still und leise hat sie Anfang Juli im Bundestag eine Große Anfrage an die Bundesregierung eingebracht, die ernst zu nehmen ist. Mit der Antwort wird sich das federführende Amt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, geleitet von Staatsministerin Monika Grütters (CDU), wohl bis in den Spätherbst Zeit lassen. Der Titel der Anfrage lautet „Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen“. Solche Fragen kommen sonst eher von linker Seite.

Die AfD zielt mit ihrer Anfrage auf die derzeit brisanteste kulturpolitische Problematik. Erst seit recht kurzer Zeit beschäftigen sich die ethnologischen Museen mit Fragen der Herkunft ihrer Objekte und, im Lichte der kolonialen Vergangenheit Deutschlands wie ganz Europas, mit dem Verhältnis zu den Ursprungsländern. Ausgangspunkt der Anfrage ist die Feststellung, die Bundesregierung habe „angekündigt, die Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen mit einem eigenen Schwerpunkt fördern zu wollen“.

Was sind die Kosten der Provenienzforschung?

Konkret gemeint ist das „Humboldt Forum im Berliner Schloss“, das „die öffentliche Diskussion um einen ethischen Umgang mit völkerkundlichen Sammlungen stark vorantreibe“. Die AfD äußert die Befürchtung, „dass unter dem Schlagwort ,Dekolonialisierung der ethnologischen Museen‘ ein Einfallstor für deren ideologische Überformung geschaffen“ werde. Es müsse „Sorge getragen werden, dass unter dem Siegel der Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe nicht Ideengut in die ethnologischen Sammlungen des Humboldt Forums hineingetragen wird, das diese zum Schauplatz ideologischer Einflussnahme mutieren lassen könnte“. Es folgen 16 Fragen, die in sich wiederum in bis zu fünf Unterpunkte gegliedert sind. Auf ihre Beantwortung darf man, völlig unabhängig vom politischen Standpunkt, gespannt sein, berühren sie doch die komplexe Problematik des Umgangs mit dem Erbe aus der Zeit des Kolonialismus.

Gefragt wird nach der Zahl der Mitarbeiter und den Kosten der Provenienzforschung sowie nach dem organisatorischen Rahmen, in dem diese Forschung künftig vonstattengehen soll. Sodann legt sich der Fokus auf die möglichen Restitutionsfälle: Nach deren möglicher Zahl wird ebenfalls gefragt, nach ihrem Rechtscharakter – zu dem sich, um dies einzufügen, derzeit noch überhaupt keine generalisierenden Aussagen treffen lassen – wie auch der möglichen rechtlichen Ausgestaltung von Rückgaben. Knifflig sind die Fragen nach dem „konservatorischen Know-how der Herkunftsländer mutmaßlicher Restitutionsgüter“, noch kniffliger die nach „Regelungen, mit denen gewährleistet werden soll, dass zurückgegebene Artefakte nicht in Privathände gelangen und damit der Öffentlichkeit entzogen werden“.

Die AfD-Anfrage hat wenig Aufmerksamkeit gefunden

Von größter Aktualität ist die Frage nach dem Vorstoß des französischen Präsidenten Macron, binnen fünf Jahren die Voraussetzungen für die Rückgabe von Objekten aus französischen Museen an die Herkunftsländer schaffen zu wollen. Das AfD-Papier schließt mit der Frage nach dem „Sharing heritage“, jenem Begriff, der die gemeinsame Erforschung der Objekte durch Personen der Herkunfts- wie der Aufbewahrungsländer umfasst, ohne dass auf eine dauerhafte Translozierung abgestellt würde – ein Konzept, das auch im Hinblick auf die weltweite Sichtbarkeit der Objekte viele Verfechter hat. Ob British Museum in London oder Musée du Quai Branly in Paris und in anderthalb Jahren das Humboldt Forum in der deutschen Hauptstadt – die großen europäischen Sammlungen sind Brennpunkte der kulturellen Neugier. Ihre Zukunft bestimmt sich auch aus ihrer Vergangenheit.

In der Öffentlichkeit hat die Anfrage der AfD wenig Aufmerksamkeit gefunden. Die „Süddeutsche Zeitung“ konstatierte gleich in der Unterzeile eines Meinungsartikels „Raffinierte Kulturpolitik“, räumte im Text aber ein, „viele der Fragen könnten (...) ebenso von den Grünen stammen“. Sie könnten, um es deutlicher zu sagen, von gleich welcher Partei stammen, weil es eben die Fragen sind, die zu diesem Thema an die Museen und die Politik gestellt werden müssen.

Westliche Museen haben genug Objekte

Dass es – wie der Artikel der „SZ“ schließt – „weder um Wiedergutmachung noch um akademische Theorien oder bloße Eigentumsfragen“ geht, „sondern darum, das Verhältnis zu Afrika auf eine grundlegend neue Basis zu stellen“, mag ja sein, nur muss man, um ein solches Verhältnis überhaupt skizzieren zu können, die konkreten Dinge klären, an denen beide Seiten Interesse haben.

Jedenfalls haben die Museen in den westlichen Metropolen genug Objekte, um dem Verlangen Afrikas nach den materiellen Zeugnissen seiner eigenen Kultur zu entsprechen. Ob Restitution oder „Sharing heritage“ – im Humboldt Forum droht in keinem Fall gähnende Leere.

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