zum Hauptinhalt
Die amerikanische Musikerin Angel Olsen.

© Will Oliver/Imago

Angel Olsen in Berlin: Bittersüßes Gift

Früher hat die US-Amerikanerin Folk gespielt, jetzt macht Angel Olsen Breitwand-Pop. Beim Konzert im Huxleys zeigt sie viel Witz.

Einmal ruft jemand im Publikum etwas Richtung Bühne. Es kommt aus der Kehle, scheint sich nicht um ein Wort, sondern eher um einen Laut zu handeln. Angel Olsen lacht. Dann sagt sie: „Tief in mir fühle ich mich genauso. Deswegen mache ich Musik.“

Es ist ohnehin bemerkenswert, wie die Amerikanerin an diesem Abend mit den Menschen im ausverkauften Huxleys Neue Welt interagiert: Die klassischen Grußadressen und Sprüche kommen durchaus. Aber Angel Olsen rührt derlei Plattitüden mit einem süßen Gift an.

Sie deklariert Hits als Songs, die sie erst am Abend zuvor geschrieben habe. Fragt irgendjemanden, ob er sie nicht heiraten wolle. Und hastet, noch während ihre Band die ohnehin knappe Zugabe spielt, lächelnd von der Bühne, als stünde ihr Wagen vor der Halle im Halteverbot.

Die Musik ist hochdramatisch und unterkühlt zugleich

Das alles ist ziemlich lustig, es ist aber vor allem eine sinnvolle Beigabe zum Sound von Olsen, der in den letzten Jahren eine erhebliche Wandlung erfuhr, sich vom Folk über Indierock bis hin zu einem schweren, gleichzeitig hochdramatischen und latent unterkühlten Breitwand-Pop entwickelte, der ebenso aus den 50er wie aus den 80er Jahren schöpft.

Im Herbst erschien mit „All Mirrors“ ihr viertes Studioalbum. Dessen Titelsong eröffnet das Konzert, auch die weiteren Stücke spielen eine wichtige Rolle in den folgenden 70 Minuten. Das ist nicht ohne Tücken, denn auf dem Album arbeitet Olsen nicht nur mit vielen Synthies, sondern auch mit einem zwölfköpfigen Streichorchester, das für die Dramaturgie der Songs essenziell ist.

Wie lässt sich das in einem klassischen Live-Setup umsetzen? Mit einem Kompromiss, der sich als Glücksfall herausstellt: Eine Cellistin und eine Geigerin sind Teil der Band, sie holen den orchestralen Sound vom Album in den Abend – bisweilen mit erstaunlich viel Wumms.

Das Schlagzeug paukt bedrohlich

Eine luftige Kammerpop-Miniatur wie „Spring“ wird da plötzlich zum wuchtigen Klagelied, „Impasse“ wächst vom behutsamen Schleicher zu einer Art Klassik-Doom, bei dem das Schlagzeug bedrohlich paukt. Olsen, wie die Band ganz in Schwarz, lässt ihre Stimme dazu mal in die Höhe peitschen, mal guttural glucksen. Bei alten Songs wie „Shut Up And Kiss Me“, wo doch mal die Gitarre die Führung übernehmen darf, wirkt sie fast unterfordert.

Diese Frau musizierte einst an der Seite des Folk-Zausels Will Oldham. Letzte Spuren davon verwischt sie auf der Bühne endgültig. Dass als Vorband mit Hand Habits eine Künstlerin gebucht wurde, die zumindest noch mit einem Fuß in diesem Sound steht, ist eine so passende wie schöne Ergänzung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false