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Soul Power

© Promo

Angeschaut: Kurz & kritisch

Drei Filme aus Forum und Panorama: "Pedro", "Soul Power" und "Soundless Wind Chime".

FORUM

Melancholie in Moll:

„Soundless Wind Chime“

Ein junger Mann mit kurzen blonden Haaren fährt weinend durch das Lichtermeer von Hongkong. Ein junger Mann mit schwarzen Haaren steht einsam vor einem Bergmassiv der Alpen. Die beiden waren einmal Liebhaber, damals in Hongkong: Pascal (Bernhard Bulling), der Schweizer Dieb und Jongleur, und Ricky (Lu Yulai), der chinesische Essensauslieferer. Jetzt ist Pascal tot und Ricky reist in die Heimat des Freundes. Dort trifft er einen Mann, der dem Toten zum Verwechseln ähnlich sieht.

Fünf Jahre hat der 1977 in Hong Kong geborene Kit Hung an seinem ersten Langfilm „Soundless Wind Chime“ gearbeitet. Es ist ein sehr persönliches Werk, mit dem er nach dem Tod von drei geliebten Menschen begann. So dominieren melancholische Moll-Klänge sein mit großer Sorgfalt komponiertes Windspiel, in das er aber auch immer wieder witzige Motive mischt. Kit Hungs spannungsreiche Bildsprache schmiegt sich elegant an die jeweiligen Schauplätze an: Sein Hongkong ist wuselig, bunt und eng, manche Szenen laufen im Zeitraffer ab. Die Schweiz hingegen wirkt leer, langsam und grau. Sprache spielt eine untergeordnete Rolle, die Körper und Landschaften sind vielsagend genug. Wird doch einmal gesprochen, läuft der Ton mitunter asynchron zum Bild. Nach und nach entwickelt sich so ein ganz eigner, fast meditativer Groove, dem man sich schwer entziehen kann. Auch die meist minimalistische instrumentierte Musik trägt zu diesem Effekt bei. „Soundless Wind Chime“ ist ein Forumsfilm par excellence: unkonventionell, intim und mutig. Dabei verliert er sich nie in prätentiösem Geplänkel, sondern erzählt eine anrührende Geschichte von Liebe, kulturellen Unterschieden, Trauer und Mitgefühl. Ganz schön viel für ein Debüt. Nadine Lange

11. 2., 22 Uhr (Cinemaxx 4), 12. 2., 12.30 Uhr (Arsenal 1), 13. 2., 22.30 Uhr (Delphi)

FORUM

Euphorie in Dur:

„Soul Power“ von Jeffrey Levy-Hinte

Wie viel Herzblut ein Cutter am Schneidetisch vergießt, weil er immerzu aussortieren und wegschmeißen muss, bekommt der Kinobesucher für gewöhnlich nicht mit. Gut so. Denn woran würde man es merken? Daran, dass der Film misslungen ist. Oder auch, weil auf den ersten Film noch ein zweiter folgt. Aber Materialfülle ist das Gegenteil von einem Kunstwerk. Das gilt auch für „Soul Power“, der all das, was für „When We Were Kings“ über den legendären Boxkampf zwischen Muhammad Ali und George Foreman 1974 in Kinshasa liegen geblieben war, neu sortiert. Wobei sich Jeffrey Levy-Hinte im Schneideraum auf das den „Rumble in the Jungle“-Fight begleitende Musikspektakel konzentriert, das nach der Trainingsverletzung Foremans und der Kampfverschiebung plötzlich für sich stand. Für die amerikanischen Soul-Stars James Brown, B. B. King, The Spinners, Crusaders und Bill Withers sollte es eine Reise zu den Ursprüngen werden, eine Rückkehr zu ihren musikalischen Wurzeln. Entsprechend gutgläubig wurden „Mother Africa“-Ideale beschworen, und tatsächlich hat der Trip auch Signalwirkung für die „Back to Africa“-Bewegung gehabt. Man fragt sich allerdings: Warum?

Für die Beteiligten muss der Abstecher ins Reich Mobutus ernüchternd gewesen sein. In der Dramaturgie üblicher Festival-Dokumentationen schildert „Soul Power“, wie die Organisation im Chaos versinkt, nichts fertig ist, nicht mal das Stadion, in dem schwitzende US-Techniker eine gigantische Lichtinsel errichten, die das ganze Land für ein paar schwüle Nächte zu illuminieren scheint. Mitveranstalter Stewart Levine ist bei der Ankunft in Kinshasa so zugedröhnt, das man ihn für den Rest der mehrtägigen Verbrüderungsshow nicht mehr sieht. Man vermisst ihn auch nicht.Denn da ist aus dem Film über eine Pilgerfahrt schon ein schnöder Konzertfilm geworden. Mit dem Höhepunkt eines ekstatischen Auftritts von James Brown und einem Rhythmus-Gewitter der Fania All Stars um Sängerin Celia Cruz. Immer wieder schwenkt ein Suchscheinwerfer durch die voll besetzte Arena. Er erinnert daran, wo das kulturelle Happening stattfindet – im Reich der Finsternis.Kai Müller

11. 2., 20 Uhr (Cinestar 8), 12. 2., 22.30 Uhr (Cubix 9), 15. 2., 14 Uhr (Delphi)

PANORAMA

Held in Bewegung:

„Pedro“ von Nick Oceano

Es gibt Krankheiten, die häufig romantisiert und erotisiert werden: Tuberkulose, Typhus, überhaupt alles, was mit Fieber, Husten und Schweißausbrüchen zu tun hat. Bei Geschlechtskrankheiten hört die Toleranz auf. Niemand würde der Kameliendame oder der Mimi aus „La Bohème“ eine Träne nachweinen, wenn sie an Syphilis zugrunde ginge. Wer sich beim Sex infiziert, gilt als schuldig. Paradoxerweise nehmen amerikanische Aids- Aktivisten auf dieses Vorurteil Rücksicht, statt es zu bekämpfen. 1994 erklärten sie den schwulen Exilkubaner Pedro Zamora zu einem Helden der Bewegung, nachdem er im Fernsehen offen über seine Krankheit gesprochen hatte. Selbst das konservative Amerika war gerührt. Nick Oceanos Film „Pedro“ zeichnet das kurze Leben dieses Mannes nach und präsentiert es als Erfolgsgeschichte. Dabei betreibt er eine konsequente Entsexualisierung. Nur einmal sieht man den Protagonisten kurz bei einem Flirt.

Landesweit berühmt wurde er durch die Reality-Show „The Real World“, ein „Big Brother“ ähnelndes Format. Wenn man dem Film glauben darf, waren die Produzenten dieser Show ein Vorbild an Einfühlsamkeit. Sie fragen immer, ob sie hereinkommen und filmen dürfen. Das Wohl der Hausbewohner ist ihnen wichtiger als die Quote. Man darf hier keine ernsthafte Medienkritik erwarten: „The Real World“ war eine MTV-Produktion, und – was für ein Zufall! – auch „Pedro“ wurde von MTV finanziert. Das darstellerische Niveau ist hoch, die Ausstattung liebevoll. Wenn da nicht diese Botschaft wäre: Seid nett zu Pedro, denn er ist jung und hübsch und immer freundlich. Er bezeichnet sich zwar als schwul, aber man sieht es nicht. Frank Noack

12. 2., 21.30 Uhr (Zoo-Palast 1), 13. 2., 13 Uhr (Cinemaxx 7), 14. 2., 17 Uhr (Cubix 9)

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