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Zwei Jahrzehnte Leidenschaft: Animal Collective

© Melt Booking

Animal Collective live in Berlin: Frischzellenkur für die Indie-Szene

Retrospektive: Im Heimathafen Neukölln spielen Animal Collective ihr 2004 erschienenes Durchbruchsalbum „Sung Tongs“ komplett durch.

Das Erforschen schillernder Klangwelten ist seit rund zwei Jahrzehnten die Leidenschaft von Animal Collective. Mit ihren grellen, psychedelischen Alben, auf denen sie die Beach Boys und Pink Floyd mit Electro, Afrobeat und überdrehten Jahrmarkts-Melodien kombinierten, hat die 1999 in Baltimore gegründete Band die Popwelt aufgemischt. Das letzte, 2016 erschienene Album „Painting With“ besaß zwar alle diese Markenzeichen, konnte aber nicht mehr so überraschen wie einst.

Nun also eine Retrospektive: Im Heimathafen Neukölln spielen Animal Collective ihr 2004 erschienenes Durchbruchsalbum „Sung Tongs“ komplett durch und vermittelt einen Eindruck von der Frischzellenkur, die dieses verschrobene Freak- Folk-Statement für die Indie-Szene war.

Es ist klein klassisches Konzert der Gruppe, denn „Sung Tongs“ wurde nur von Dave Portner alias Avey Tare und Noah Lennox alias Panda Bear eingespielt. Auf der Bühne stehen zwei Stühle, zwei Akustik-Gitarren und eine Stand- Tom – eine spartanische Ausstattung angesichts des Technik-Fuhrparks, den Animal Collective sonst auffahren. Doch die Klangräume, die Lennox und Portner damit eröffnen, sind atemberaubend: Die Gitarren wiederholen endlos hypnotische Akkorde, Ambient-Jams steigern sich zu rhythmischer Ekstase, die verhallten Stimmen von Lennox und Portner verweben sich zu schamanischen Beschwörungen. Trotz der gelegentlichen Ausbrüche und exaltierten Schreie bleibt der Grundzustand die Trance: Es sind keine Songs, sondern Zustände, die Animal Collective zelebrieren, die Zuschauer wiegen sich im Strom der Musik vor und zurück wie Korallen im Wasser.

Auch bei der Zugabe werden keine Hits gespielt

Es ist beeindruckend, wie lustvoll und ernsthaft zugleich Lennox und Portner ihre musikalischen Visionen präsentieren. Die beiden wirken, als seien sie zwei außerirdische Liedermacher auf Acid und spielen stoisch das ganze Album herunter, das mit seinen überlangen Stücken definitiv zu den sperrigsten Animal Collective-Arbeiten gehört. Das ist streckenweise anstrengend, doch der völlig entrückte Satzgesang von Lennox und Portner hält die Spannung aufrecht.

Es ist ein Konzert für Fans, wie auch die kurze Zugabe deutlich macht, bei der keinerlei Hits gespielt werden. Das stört nicht wirklich, denn Animal Collective beweisen an diesem Abend, dass selbst ein mehr als zehn Jahre altes Album aus ihrem Œuvre immer noch klingt, als wäre es zehn Jahre in der Zukunft aufgenommen worden.

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