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Anne-Sophie Mutter.

© dpa

Anne-Sophie Mutter in Berlin: Gruppenbild mit Geigen-Göttin

Wenn Anne-Sophie Mutter ihre Violine zu Hand nimmt, dürfen sich die Fans auf Melodien von makelloser Reinheit freuen. So war es auch diesmal. Eine echte Überraschung stellt dagegen beim Konzert der Berliner Philharmoniker am Donnerstag Witold Lutoslawskis "Konzert für Orchester" dar, dirigiert vom Österreicher Manfred Honeck.

Viele, viele Fans von Anne-Sophie Mutter sind am Donnerstag in die Philharmonie gekommen. Erwartungsfrohes Gesumm erfüllt den Saal, prasselnder, wiedersehensfreudiger Applaus empfängt die Künstlerin, kommender Jubel liegt in der Luft. Und dann setzen die Streicher der Berliner Philharmoniker zu Antonin Dvoraks f–Moll-Romanze für Violine und Orchester an – so unendlich zart, so silbrig fein, dass plötzlich die ganze aufgeregte Eventstimmung wie weggeblasen ist. Als würde sich ein Fenster öffnen und den Blick freigeben auf eine Welt jenseits des Alltags.

Vollendet geschmackvoll webt Anne–Sophie Mutter dort ihre endlose Kantilene, ein keusches Liebeslied, das nichts von Wolllust weiß, das Gebet einer Jungfrau. Mit Dvorak geht’s auch weiter, nun mit dem viel handfesteren Violinkonzert: Dirigent Manfred Honeck und die Philharmoniker legen leidenschaftlich vor, die Solistin aber lässt sich von der aufschäumenden Emphase selbstverständlich nicht aus dem Gleichmaß bringen. Mögen die anderen später auch noch so kollektiv seufzen, sie zelebriert ihren virtuosen Part in höchster Reinheit, setzt glasklare Spitzentöne.

Und während Anne-Sophie Mutter so spielt, von ihrer wie gewohnt sehr figurbetonten Robe zum Stillstehen gezwungen, tauchen Bilder von antiken Skulpturen vor dem inneren Auge auf, Göttinnen aus makellosem Marmor von blendendem Weiß. Scheinbar schwerelos. Allein, dass die Künstlerin zwischendurch zu einem Tuch greift, um der Violine einen sichereren Halt auf der blanken Schulter zu sichern, erinnert daran, dass hier auch körperliche Anstrengung im Spiel ist. Allgemeine Begeisterung.

Ein später Debütant bei den Berlinern ist Manfred Honeck, immerhin schon 54 Jahre alt, ein Österreicher, der zunächst als Bratschist bei den Wiener Philharmonikern arbeitete, bevor er sich für die Dirigentenlaufbahn entschied, seit 2008 Chef des Pittsburgh Symphony Orchestra, hierzulande eher unterschätzt. Und vielleicht jetzt auf dem entscheidenden Karrieresprung. Am Donnerstag jedenfalls lassen sich die Musiker nur zu gerne von Honeck durch Witold Lutoslawskis „Konzert für Orchester“ leiten. Eine großartige, hochintelligent konstruierte, irisierend vielfarbige Partitur, eine Entdeckung für die meisten im Saal – und wahrlich das richtige Virtuosenfutter für die formidablen Philharmoniker.

In seinem raffinierten Detailreichtum, seiner organisch sich entfaltenden Modernität scheint das 1954 vollendete Stück geradezu in den Philharmonie-Saal hineinkomponiert zu sein, den Scharoun ja tatsächlich in diesen Jahren konzipiert hat. Architektur und Klang, Auge und Ohr in perfekter Symbiose.

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