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Kultur: Anonymus im Gehäus

Als Psychiatriepatient entwarf Karl Hans Janke futuristische Flugobjekte: Nun entdeckt das Künstlerhaus Bethanien sein Werk neu

Das „violette Band des Weltalls für den verdienstvollen Raumfahrer“ ziert die Ausstellung des Zeichners und Objektkünstlers Karl Hans Janke im Künstlerhaus Bethanien. Der fiktive Orden ist Teil eines fulminanten Werkes, das der 1988 gestorbene Künstler hinterlassen hat. Ein Großteil dieses Oeuvres, von dem nun erstmals ein kleiner Teil zu sehen ist, beschäftigt sich mit Kosmologie und Raumfahrt. Zwölf Jahre dämmerte es verborgen auf dem Dachboden der Psychiatrie im sächsischen Wernsdorf vor sich hin und wurde dann eher zufällig durch Kulturwissenschaftler Peter Lang entdeckt, der 1998 bei einem Freund auf zwei Blätter mit Konstruktionszeichnungen des unbekannten Genies stieß. Als er nachforschte, öffnete sich ihm ein auch gegenwärtig noch unübersehbares Konvolut von Skizzen, Notizen und Zeichnungen. In 12 Obstkästen ordentlich archiviert, harren noch immer 2500 Blätter ihrer Auswertung. Die vielfach gefalteten Papiere sind eng bekritzelt mit Innenansichten von Raumfahrzeugen, Raketen und detaillierten Schilderungen von fiktiven Bau- und Funktionsbeschreibungen. Der Psychiatriepatient Janke zeichnete wie ein Besessener. Seine plastisch ausgearbeiteten Objekte und Entwürfe bilden ein dichtes Ordnungssystem von Linien und geometrischen Formen.

Aber Janke sah sich nicht als Künstler. Der 1909 in Kolberg/Pommern geborene Janke belegte zwar einige Abendkurse an der TU Berlin. „Vermutlich stammen seine physikalischen Grundkenntnisse von dort“, mutmaßt Kurator Peter Lang. Eine reguläre wissenschaftliche Ausbildung absolvierte er jedoch nicht. Er sah sich als großer Erfinder und wurde nicht müde, seine Ideen dem Patentamt oder auch dem Zentrallaboratorium für Rundfunk- und Fernsehtechnik der DDR zu unterbreiten. Dort hielt man seine Entwürfe zwar nicht für realisierbar, antwortete aber durchaus höflich, denn viele seiner Vorschläge waren gar nicht so abwegig. Anregungen, seine wissenschaftlich gemeinten Ausarbeitungen künstlerisch begutachten zu lassen, wies Janke allerdings entrüstet zurück. Zugute kam dem schizophrenen Mann seine 40-jährige klinische Unterbringung im Neuen Schloss Hubertusburg-Wermsdorf. Dass es sich dabei um eine Heilanstalt handelte, war aus dem Absender nicht sofort ersichtlich.

Jankes Flugobjekte, die „Möwe vom Ostseestrand“ seine „Sonnenbabi“ und seine zahlreichen „Trajakte“, erhoben sich ebensowenig in die Luft wie die Objekte des Künstlers Panamarenko. Mit dem Tüftler Panamarenko verbindet Janke nicht nur die Intensität der Arbeit, sondern auch ein ausgeprägtes grafisches und gestalterisches Talent. Der Ausstellungsmacher Jan Hoet vergleicht es gar mit dem Leonardo da Vincis. Keiner Begutachtung mehr unterzogen werden können allerdings Jankes aus Leim und Papier geformten plastischen Entwürfe. Die sperrigen Gegenstände vernichtete die Klinikleitung nach dessen Tod.

Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz2, bis 6. Juli, Mi – So 14-19 Uhr.

Richard Rabensaat

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