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Kultur: Anregende Urlaubs-Lektüre, unterm Sonnenschirm, unter Palmen oder gleich im Schatten

Wenn da nicht diese mal lustigen, mal verführerischen Illustrationen wären - man könnte glatt ein schlechtes Gewissen bekommen beim Wunsch, seinen Körper von Licht, Luft und Sonne warm umspielen zu lassen. Erst - bis zur Jahrhundertwende und darüber hinaus - war Hautbräune unfein, man wollte sich von Bauer und Bauarbeiter unterscheiden.

Wenn da nicht diese mal lustigen, mal verführerischen Illustrationen wären - man könnte glatt ein schlechtes Gewissen bekommen beim Wunsch, seinen Körper von Licht, Luft und Sonne warm umspielen zu lassen. Erst - bis zur Jahrhundertwende und darüber hinaus - war Hautbräune unfein, man wollte sich von Bauer und Bauarbeiter unterscheiden. Dann, in den zwanziger Jahren, war die Sonnenanbeterei politisch verdächtig, wegen rassistisch unterfüttertem Körperkult und der daraus keimenden Nazi-Ästhetik. Nach dem Krieg entstanden die berüchtigen Teutonen-Grills mit ihrer uniformierten Strand-Rösterei. Und heute - da lauern das Ozonloch über uns und das maligne Melanom, der Hautkrebs, unter der geröteten Haut.

Es ist tröstlich, dass Simone Tavenrath in ihrer "kleinen Kulturgeschichte des Sonnenbadens" mit dem Titel-Slogan "So wundervoll sonnengebräunt" dennoch nicht nur kulturkritische Absichten verfolgt, sondern die Freuden des Badelebens durch den Schirm wissenschaftlicher Distanz schimmern lässt. Diese Freude vermittelt sich selbst auf historischen Fotos von Badekarren, die ihren züchtig bekleideten Insassen ein Stück draußen vor Doberan oder Juist in einer Art Korbgestell in sein begrenztes Vergnügen entließen. Und selbst die Parade von Sonnencreme-Anzeigen quer durch die Jahrzehnte hat genug Strahlkraft, den Geruch von Meer und Mandelöl heraufzubeschwören.

Im Text, es handelt sich um eine gekürzte Magisterarbeit der Kulturwissenschaften, wird es ernster, wird der Zeichenhaftigkeit der Hautfarbe und ihrer Entstehung durchaus massiv auf die Epidermis gerückt. Vom "Paradigma der nahtlosen Körperbräune" erfahren wir da, bezogen auf die Bronze-Zeit des mitteleuropäischen Körpers bis in die 80er Jahre, und von der "neuen Verhüllung" infolge des Ozonproblems, in deren heiterem Design sich die "Ambivalenz und das Oszillieren zwischen Optimismus und Pessimismus", die Schutzhülle der Erde betreffend, spiegele. Am Ende will die Autorin gar einen neuen Trend zurück zur feinen Blässe ausmachen, oder zumindest zu jener "sanften Bräune", die neuerdings auf Cremetuben mit astronomischen Schutzfaktor-Ziffern beschworen wird. Wie auch immer: eine anregende Urlaubs-Lektüre, unterm Sonnenschirm, unter Palmen oder gleich im Schatten. Aber auch da: nicht die Nase und die Ohren vergessen.Simone Tavenrath: So wundervoll sonnengebräunt. Kleine Kulturgeschichte des Sonnenbadens. Marburg: Jonas Verlag 2000, 128 Seiten, ISBN: 3894452587.

Julia Möhn

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