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Kultur: Anton Raphael Mengs: Phoenix aus der Asche

Sein ehrgeiziger Vater hatte ihm die Vornamen von Correggio und Raffael gegeben, und der Sohn, als Wunderkind wie Mozart erbarmungslos zu frühem Ruhm angetrieben, folgte ihm darin und erwählte sich die beiden Maler der Hochrenaissance, zu denen er noch Tizian stellte, zu Leitbildern seiner Kunst. Raffael beschäftige seinen Verstand, Corregio sein Herz, und an Tizian könne er sich nicht sattsehen.

Sein ehrgeiziger Vater hatte ihm die Vornamen von Correggio und Raffael gegeben, und der Sohn, als Wunderkind wie Mozart erbarmungslos zu frühem Ruhm angetrieben, folgte ihm darin und erwählte sich die beiden Maler der Hochrenaissance, zu denen er noch Tizian stellte, zu Leitbildern seiner Kunst. Raffael beschäftige seinen Verstand, Corregio sein Herz, und an Tizian könne er sich nicht sattsehen.

Dieses Rezept scheint aufgegangen zu sein, denn Anton Raphael Mengs, der - abgesehen von einer zweimaligen Rückkehr nach Sachsen und seinen beiden spanischen Aufenthalten - den größten Teil seines Lebens in Rom verbrachte, wurde ein Maler europäischen Ranges: Hofmaler des sächsisch-polnischen Königshauses und der Könige von Neapel und Spanien, langjähriges Mitglied und zeitweise Principe der Accademia di S. Luca in Rom und Direktor der Accademia di S. Fernando in Madrid. Wie sehr die Zeitgenossen ihn als Überwinder des Barock und Erneuerer der Kunst feierten, geht aus dem Bekenntnis seines Freundes Winckelmann hervor, des bedeutenden Theoretikers des Klassizismus: "Er ist als ein Phönix gleichsam aus der Asche des ersten Raffaels erweckt worden, um der Welt in der Kunst die Schönheit zu lehren und den höchsten Flug menschlicher Kräfte in derselben zu erreichen."

Doch früh setzte auch Kritik ein. Sie kam von denjenigen, die die Subjektivität des Künstlers als allein gültigen Maßtab setzten - von den Romantikern. Fast zweihundert Jahre war Mengs in Vergessenheit geraten. Viele seiner Werke, in ganz Europa und auch in Amerika verstreut, lagerten unzugänglich in Depots und Magazinen. Jetzt will eine bereits in Padua und nun in Dresden gezeigte, von der Mengs-Expertin Steffi Roettgen konzipierte Ausstellung "Die Erfindung des Klassizismus" mit den tradierten Meinungen aufräumen und Mengs als Theoretiker und Begründer des Klassizismus, des epochalen Wandels am Ende des Barock neu ins Bewusstsein heben. Mengs habe durch seine konsequente Hinwendung zur Malerei der Antike den neuen, antiken Klassizismus des 18. Jahrhunderts vorgeformt.

Winckelmann sah die "edle Einfalt und stille Grösse", so sein Leitsatz für die neue Ausrichtung der Kunst, in den Werken seines Freundes verwirklicht. Das gilt wohl weniger für den Historienmaler als für den hervorragenden Porträtisten. Von den Monumentalwerken, die ihn berühmt gemacht haben - das Hochaltarbild für die Dresdner Hofkirche, das "Parnass"-Fresko in der Villa Albani in Rom, die Fresken im königlichen Palast in Madrid, die Ausmalung der Stanza dei Papiri im Vatikan - , vermitteln die ausgestellten Entwürfe und die Druckgrafik einen ungefähren Eindruck. An der Entstehungsgeschichte der "Geburt Christi" (1754/55) kann man erkennen, wie Mengs an zwei verschiedenen Modellen - Correggio und Raffael - den Wechsel der stilistischen Orientierung erprobte. Zwischen der büßenden "Hl. Maria Magdalena", der "Hl. Cäcilie" als Heilige der Musik (beide 1760/61) und der sinnenden "Sibylle" (1761) besteht ein enger Zusammenhang. Mengs setzt sich hier mit dem neuen Bildtypus der antikisierenden weiblichen Halbfigur auseinander. In der skulpturalen, michelangelesken Monumentalität und der aggressiven Frontalität, die die Distanz zwischen Bild und Betrachter aufhebt, sind der "Hl. Johannes der Täufer predigend" (1767) und der "Hl. Petrus thronend" (1774-75), beide wie antike Heroen ins Bild gesetzt, markante Wegzeichen zum Klassizismus.

Vom "Selbstbildnis mit zwölf Jahren" (1740) über die Dresdner Pastellbildnisse bis zu den Selbstporträts des letzten Lebensjahrzehnts ist in Haltung und Gestik das wachsende Selbstbewusstsein des Künstlers abzulesen. Im Alter gebrochen durch müde Melancholie, erreicht das von Leiden und Resignation geprägte Selbstbildnis von 1778/79 eine erschütternde psychologische Dichte und Intensität des Ausdrucks. Aus den zahlreichen höfischen Porträts mit repräsentativer Pose und hoheitsvoller Haltung, wenngleich auch frischem und lebendigem Gesichtsausdruck ragen die Bildnisse des Vaters (1744/45), der Sängerin Caterina Mingotti, aber auch des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. (beide 1745) hervor. Mit dem Bildnis Ferdinand IV. von Neapel (1759/60) entwickelte Mengs einen offiziellen Porträtstil, der auf das barocke Posenrepertoire verzichtet und dafür Wert legt sowohl auf den streng zeremoniellen Charakter und die starke Idealisierung des Dargestellten als auch die virtuose Wiedergabe des Bildinventars. Das Porträt des jungen Grossherzogs Pietro Leopoldo von Toskana (1770), bar aller Attribute und Attitude, zeigt dann die völlige Abwendung von den Formeln des absolutistischen Fürstenbildnisses. Vor allem mit seiner Porträtkunst und seinem theoretischen Programm hat Mengs die mit Tiepolo auslaufende Barockkunst abgelöst und den Klassizismus wenn auch nicht gerade erfunden, so doch die Entwicklung zu ihm hin wesentlich mitbestimmt.

Klaus Hammer

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