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Kultur: Antworten von

VORWAHL (5)

Christoph Hein

Wir haben Künstlern und Schriftstellern drei Fragen gestellt. 1. Deutschland und der Reformstau: Welche Reformen halten Sie für am dringlichsten – und was wäre Ihre Lieblingsreform? 2. Schröder contra Stoiber: Welchen Rollen-Typus verkörpern die beiden Staatsschauspieler? 3. Ist die etablierte Parteienklasse zu versteinert – und würden Sie sich einen neuen Politikertypus wünschen ? Was wäre die Lockung oder Drohung eines Außenseiters à la Pim Fortuyn?

Mein Missvergnügen steckt nicht allein in diesem Sommer. Vor zehn Jahren stellte der amtierende Bundespräsident fest, dass sich die Parteien grundgesetzwidrig zu einem sechsten Verfassungsorgan entwickelt haben, das sämtliche verfassungsgemäßen Organe kontrolliere. Der Staat sei eine Beute der Parteien geworden. Die Beutemacher reagierten mit herrschaftlichem Unwillen darauf, ließen die Kritik aber wie einen Wolkenbruch an der Regenhaut ihrer Macht abtropfen, um ihre grundgesetzwidrige Übermacht in der Gesellschaft weiter zu etablieren. Dass selbst das Wort eines Bundespräsidenten so folgenlos blieb, ist ein Maß dieser Macht.

Wie Millionen anderer Bundesbürger ist es mir erlaubt, alle vier Jahre etwas zu wählen, aber meine Wahl wird durchkreuzt von der tagtäglichen Wahl der Lobbyisten, die denjenigen, den ich gewählt und bestimmt habe, bestimmen.

Ich werde zur Wahl gehen. Aber gewiss werde ich nicht die Nichtwähler beschimpfen. Es gibt sehr verschiedene Gründe, nicht wählen zu gehen, und zweifellos werde ich nicht jeder Begründung einer Wahlenthaltung zustimmen wollen und können. Aber ich vermute, dass einige Nichtwähler auch aus Sorge um die demokratische Verfassung dieses Staates ihre Stimme nicht abgeben.

Christoph Hein lebt als Schriftsteller in Berlin. In diesen Tagen erscheinen „Von allem Anfang an“ und „Exekution eines Kalbes“ (Suhrkamp). Nächste Folge: Barbara Beyer

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