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Kultur: Antworten von

VORWAHL (15)

Christoph Links

Wir haben Künstlern und Schriftstellern drei Fragen gestellt.

1. Deutschland und der Reformstau: Welche Reformen halten Sie für am dringlichsten – und was wäre Ihre Lieblingsreform?

2. Schröder contra Stoiber: Welchen Rollen-Typus verkörpern die beiden Staatsschauspieler?

3. Ist die etablierte Parteienklasse zu versteinert – und würden Sie sich einen neuen Politikertypus wünschen ? Was wäre die Lockung oder Drohung eines Außenseiters à la Pim Fortuyn?

1. Meine Lieblingsreform ist seit vielen Jahren die des Beamtenrechts, aber sie wird es wohl auch noch viele Jahre bleiben. Schon in der DDR war zu erleben, daß die quasi allenthalben gegebene Unkündbarkeit in öffentlichen Amtsstuben zu ständigen Blockaden und spürbarem Veränderungsunwillen geführt hat. Wenn ich heute mitbekomme, wie selbstgefällig und an den Interessen der Betroffenen vorbei in vielen Universitäten, manchen Bibliotheken und zahlreichen aktenverwaltenden Behörden gearbeitet wird, dann fühle ich mich an diese lähmende Endzeitstimmung der ostdeutschen 80er Jahre erinnert. Wenn hier nicht eine Bewertung durch die Kunden zum Kriterium der Vergütung und der sozialen Anerkennung wird, sondern weiterhin die Einhaltung der überreichlichen Vorschriften das Maß aller Dinge bleibt, wird Deutschland immer mehr in den Rückstand geraten. Doch welche Partei sollte ein solches Vorhaben in Angriff nehmen, wenn die eigenen Abgeordneten mehrheitlich freigestellte Beamte sind?

Das mediale Theater um die zwei Spitzenkandidaten lenkt von solchen grundsätzlichen Reformen eher ab, egal in welcher Rolle der eine oder der andere mal auftritt. Es geht ihnen um kleine Stimmungsvorteile durch jeweils populäre Themen und nicht um die Grundprobleme unserer Gesellschaft. Weder ein freundlich kaschierter Arbeitsdienst noch Steuervorteile für die Industrie werden die Vollbeschäftigung zurückbringen.

Man muss endlich eingestehen, daß es im Zeitalter der globalen Computerisierung die alte großindustrielle Arbeitsgesellschaft nicht mehr geben wird. Statt dessen sollten Entwürfe diskutiert werden, wie man eine Bürgergesellschaft gestalten kann, in der das Handeln für die Gemeinschaft eine angemessene gesellschaftlich Anerkennung finden kann. Hier wünschte man sich Politiker, die den Mut zu verändernden Konzepten haben, die deutlich über eine Wahlperiode hinausweisen.

Christoph Links leitet den gleichnamigen Verlag in Berlin.

Nächste Folge: Andreas Dresen

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