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Kultur: Arabische Literatur: Israel - ein hoffnungsloser Fall?

Yael Lerer (33) gründete 2000 in Tel Aviv den Verlag "Andalus", der arabische Literatur auf Hebräisch veröffentlicht. Dieses einzigartige Projekt geriet ins Zentrum der Debatte um die Normalisierung der israelisch-arabischen Beziehungen, die die arabischen Intellektuellen seit der zweiten Intifada polarisiert.

Yael Lerer (33) gründete 2000 in Tel Aviv den Verlag "Andalus", der arabische Literatur auf Hebräisch veröffentlicht. Dieses einzigartige Projekt geriet ins Zentrum der Debatte um die Normalisierung der israelisch-arabischen Beziehungen, die die arabischen Intellektuellen seit der zweiten Intifada polarisiert. Nach dem Ausschluss von Ali Salem aus dem ägyptischen Schriftstellerverband im Mai dieses Jahres (wegen Israelfreundlichkeit). So zog der ägyptische Autor Ibrahim Abdel-Meguid die Übersetzung seines Buches bei "Andalus" zurück. Nagib Machfus und Edward Said verteidigen das Projekt hingegen.

Warum übersetzen Sie arabische Literatur ins Hebräische?

Die israelische Gesellschaft ist rassistisch und der arabischen Welt gegenüber so verschlossen, dass allein die Tatsache, arabische Literatur jetzt lesen zu können und Araber als Menschen zu sehen, schon viel bedeutet. Ich arbeite seit Jahren mit und für Palästinenser, zum Beispiel als Wahlkampfleiterin einer Partei, die für die kulturelle Autonomie der arabischen Minderheit in Israel kämpft. Für eine arabische Öffentlichkeit also, die das israelische Fernsehen und die Zeitungen in Hebräisch verfolgt. Ich wollte aber auch meiner eigenen, jüdisch-israelischen Gesellschaft den Horizont öffnen.

Was hat Sie zu dem Projekt ermutigt?

In den letzten zehn Jahren ging ein kleiner Ruck durch die israelische Gesellschaft. Und das bei aller Kritik an Oslo. 1993 war ich deprimiert, weil mir die Friedensvereinbarungen nicht weit genug gingen. Ich glaube, dass es nach Oslo einige wenige Menschen gab, die wirklich mehr wissen wollten, das vergangene Jahr hat leider vieles wieder rückgängig gemacht. Außerdem sind die orientalischen Juden in Israel selbstbewusster geworden. So gibt es heute in den Tel Aviver Plattenläden eine Menge arabischer Musik. Freunde von mir, die als Kinder ihre Eltern davon abgehalten haben, arabische Radiosender und Musik zu hören, bedauern das heute und graben wieder alte arabische Stars aus.

Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die Bücher aus, die bei "Andalus" erscheinen?

Alle Entscheidungen im Verlag sind literarischer Art. Einfach gute Bücher. Die zehn Bücher, die in Vorbereitung sind, stammen von Männern und Frauen aus dem Sudan, Marokko, Libanon, Syrien. Ich will die Vielfalt der arabischen Welt zeigen. Auch der Stil jedes einzelnen Buchs unterscheidet sich von den anderen, was mir sehr wichtig ist. Seit den 30er Jahren sind nämlich nur 32 arabische Romane übersetzt worden, und die Übersetzungen waren schlecht.

Gibt es heute bessere Übersetzer?

Es ist immer noch ein Problem, gute Übersetzer zu finden. Gute Übersetzer sind normalerweise zweisprachig oder haben lange in zwei Gesellschaften gelebt. Es gibt aber kaum Juden in Israel, die in der arabischen Welt gelebt haben. Abgesehen von denjenigen, die vor 50 Jahren aus Irak oder Ägypten nach Israel kamen und Hebräisch sprechen. Aber man spürt, dass sie das Hebräische nicht wirklich beherrschen. Und auch ihr Arabisch stammt von vor 50 Jahren, weshalb ihnen die heutige arabische Kultur ebenfalls nicht vertraut ist. Ich arbeite viel mit palästinensischen Übersetzern, die in einer gemischten Stadt gelebt haben und auf eine hebräische Universität gegangen sind. Aber selbst wenn sie nie Fehler machen, ist Hebräisch ihre Muttersprache. Das merkt man.

Obwohl der Name Ihres Verlags "Andalus" auf das goldene Zeitalter arabischer und jüdischer Gelehrsamkeit hindeutet, verlegen Sie keine Klassiker.

Bei Klassikern weiß man von vornherein, dass sie keiner kauft. Deshalb habe ich mich fürs Erste auf zeitgenössische arabische Literatur beschränkt. Das nächste Buch, das veröffentlicht wird, "Bab al-Shams" von Elias Khoury, ist 1998 erschienen. Ibrahim Abdel-Meguid hat sein Buch ja zurückgezogen, nachdem ihm in der ägyptischen Öffentlichkeit vorgeworfen wurde, er trage durch die geplante Übersetzung ins Hebräische zu einer scheinheiligen Normalisierung des Verhältnisses zu Israel bei.

Erwarten Sie im Libanon die gleichen Reaktionen auf die Veröffentlichung von Khoury wie in Ägypten nach Abdel-Meguid?

Nein, die Diskussion ging schon durch die gesamte überregionale arabische Presse. In den Zeitungen "Al Hayat", "Al-Quds al-Arabi" und "Al-Wassat", die in London herausgegeben werden, haben viele Intellektuelle das Projekt verteidigt, darunter Edward Said und Nagib Machfus. Mahmud Darwish hat sich im libanesischen Fernsehen in einer wichtigen Talkshow positiv dazu geäußert.

Hatten Sie nach den Erfahrungen mit Ägypten Angst, Ihnen würde die Arbeit ausgehen?

Nein. Ich habe ja die Rechte für die Bücher und vertraue den Autoren.

Können Sie Ihren Standpunkt in der "Normalisierungsdebatte" genauer erläutern?

Es gibt die "Normalisierungs-Gegner", die die Annäherung von Juden und Arabern ablehnen, solange es keine gesetzliche Gleichstellung gibt. Ganz Radikale lehnen sogar die Tatsache ab, dass Palästinenser an den Knessetwahlen teilnehmen. Ich finde, man muss immer von Fall zu Fall entscheiden. Aber grundsätzlich denke ich auch, man sollte nicht so tun, als sei alles normal, als könne zum Beispiel ein libanesischer Schriftsteller zu einer Lesung nach Tel Aviv kommen, wenn man tatsächlich von einem Frieden weit entfernt ist. Die israelische Besatzung ist nach Oslo jedes Jahr stärker geworden. Im Grunde geht es nicht darum, den anderen zu verstehen: Entscheidend sind die gleichen Rechte.

Schottet sich die arabische Welt genauso gegenüber Israel ab, wie umgekehrt?

Die arabische Welt weiß eine Menge über Israel. Als ich in Ägypten lebte, konnte ich alles, was in Israel passiert, in der arabischen Presse verfolgen. Leute auf der Straße wussten enorm viel über Israel. Jeden Tag werden Artikel aus israelischen Zeitungen übersetzt und viele Bücher, weniger Belletristik, vor allem politische Bücher.

Wie wird es angesichts der politischen Lage für Ihren Verlag weitergehen?

Der Hass war noch nie so stark. So wird es immer wahrscheinlicher, dass ich den Verlag schließe. Das wird in Israel zwar niemanden interessieren. Aber in der arabischen Welt werden viele darüber enttäuscht sein. Vielleicht ist es zu früh für Israel, oder Israel ist ein hoffnungsloser Fall.

Spüren Sie das auch an den Verkaufszahlen?

Ja, von Tayyib Salih haben wir nicht einmal 500 Exemplare verkauft, was bedauerlich ist, weil es ein so schönes Buch ist, das niemanden verletzt. Auch die Kritiken waren sehr gut. Aber es scheint, als wollten die Leute gerade in der politischen Situation jetzt lieber in eine andere Welt fliehen und lesen Harry Potter oder Romane von Elsa Morante, Natalia Ginzburg. Wenn sie unsere Bücher sehen, sagen sie: "Mich interessiert nicht, was dieser Mohamed zu sagen hat." Ein sehr erfahrener Verleger sagte mir schon vor einem Jahr, dass das Problem viel tiefer liegt und ich nur meine Zeit verschwende. Er glaubt, der Rassismus sei so groß, dass man sich nicht einmal vorstellen kann, dass arabische Literatur gut sein kann.

Entpuppt sich "Andalus" für Sie heute als die falsche Metapher?

Nein, "Andalus" ist ein Name, der an eine Zeit erinnert, in dem ein arabisches Goldenes Zeitalter auch ein hebräisches sein konnte. Außerdem wurde das Hebräisch damals durch den Einfluss des Arabischen stark verändert. Es war eine unglaublich fruchtbare Periode der Übersetzungen. Und es ist immer noch so, dass eine Kultur nur dann zur Blüte kommt, wenn sie Einflüsse von außen aufnimmt, nicht, wenn man versucht, sie "rein" zu halten.

Warum übersetzen Sie arabische Literatur ins

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