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Der ägyptische Spielfilm „The Closed Doors“ schildert eine Gesellschaft ohne männliche Rollenvorbilder.

© Alfilm

Arabisches Filmfestival: Kino im Wandel

Die neunte Ausgabe des Arabischen Filmfestivals denkt über neue Männlichkeitsbilder nach.

Von Muhamad Abdi

Die 21-jährige Mariam ist zum Studium nach Tunis gegangen. Auf einer Party lernt sie Youssef kennen. Am Strand werden sie von drei Polizisten festgehalten, zwei von ihnen vergewaltigen Mariam im Auto. Die junge Frau wehrt sich, sie versucht Anzeige gegen die Täter zu erstatten. Doch die Polizei weigert sich, die Anzeige gegen die eigenen Kollegen aufzunehmen. Der Versuch, ihr Recht einzuklagen, wird für Mariam zu einer Odyssee durch das nächtliche Tunis, immer unterstützt von Youssef, im Kampf gegen Traditionen und überholte Rollenmodelle.

„Beauty and the Dogs“ von Kaouther Ben Hania und Khaled Barsaoui, der auf einer wahren Geschichte basiert, zeichnet ein atmosphärisches Bild des nachrevolutionären Tunesiens, in dem die alten Machtstrukturen längst nicht überwunden sind. Im Vergleich mit anderen arabischen Ländern sieht die Situation zwar vergleichsweise gut aus, aber noch immer fliehen jährlich tausende Tunesier nach Italien. Hania und Barsaoui zeigen das Chaos und die Korruption in den Behörden, die Frauen trotz der Reformen nach dem arabischen Frühling weiter zu Opfern macht.

Ausgrenzung in der Schule, Gemeinschaft in der Moschee

„Reflexionen arabischer Männlichkeit“ heißt ein Themenschwerpunkt in der neunten Ausgabe des Arabischen Filmfestivals Alfilm, das bis zum 18. April in Berlin stattfindet. Die Filmreihe betrachtet die sich wandelnden Konzepte von Männlichkeit im arabischen Kino seit den siebziger Jahren. Neun Spiel- und Dokumentarfilmen umfasst das Programm, darunter das Regiedebüt „The Closed Doors“ (1999) des ägyptischen Filmemachers Atef Hetata über den schüchternen Hamada. Der Junge bei seiner geschiedenen Mutter, in der Schule erfährt er von seinen Klassenkameraden und Lehrern Gewalt und Ausgrenzung. Die Moschee ist für ihn hingegen ein Ort der Bildung und der Gemeinschaft. Den wirtschaftlichen Verunsicherungen seiner Gesellschaft und seiner erwachenden Sexualität begegnet Hamada mit zunehmender Religiosität. Hetata erzählt zur Zeit des ersten Golfkrieges das Drama des Heranwachsens. Statt männlicher Vorbilder hat der Junge nur Abziehbilder einer dysfunktionalen patriarchalen Gesellschaft zur Orientierung.

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Der libanesische Regisseur Anthony Chidiac wiederum erzählt in dem Dokumentarfilm „Room for a Man“ von 2017 über sein Leben als schwuler Mann im Libanon. Er lebt mit seiner Mutter und seiner Schwester, doch Familie und Gesellschaft akzeptieren ihn aufgrund seiner Homosexualität nicht. Heute ist Anthony 30 Jahre alt, aber er fühlt sich noch immer nicht respektiert. Er träumt von einer Gesellschaft, in der homosexuelle Menschen ohne Vorurteile leben können.

Heimgesucht von Erinnerungen

Viele der 17 Filme in der offiziellen Auswahl thematisieren neben den aktuellen Krisen in der arabischen Welt – ähnlich wie bei Chidiac – persönliche Geschichten. Der syrische Regisseur Ekrem Heydo dokumentiert in „Mein Paradies“, seine Rückkehr aus dem deutschen Exil in die Heimat nach 23 Jahren. Ein altes Klassenfoto führt ihn zurück an seinen Geburtsort Sere Kaniye im kurdischen Teil Syriens. Dort herrscht seit 2011 Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppierungen – Alawiten gegen Sunniten, Sunniten gegen Schiiten, Kurden gegen radikale muslimische Gruppen. Der Krieg hat die Menschen voneinander entfremdet. Das Klassenfoto bildet die multiethnische Gesellschaft in Syrien ab, die seit dem Bürgerkrieg in konfessionelle Lager gespalten ist. Doch Heydos Suche nach den früheren Klassenkameraden bleibt ergebnislos: Einer wurde getötet, viele flohen. Seine Erinnerungen holen den Filmemacher ein.

Der Krieg in Syrien ist ein wiederkehrendes Thema im Festivalprogramm, die diesjährige Auswahl zeigt aber auch, dass sich das arabische Kino im Wandel befindet. Viele Filme handeln von Gewalt gegen Frauen und Homosexualität – Themen, die in der tunesischen, ägyptischen und syrischen Gesellschaft lange Tabu waren. Das arabische Kino entwickelt sich weiter, öffnet sich: Immer mehr Frauen bekommen heute die Möglichkeit, ihre eigene Geschichte zu erzählen. So auch die Libanesin Eliane Raheb, deren preisgekrönter Dokumentarfilm „Those Who Remain“ zu sehen ist. Muhamad Abdi

Bis zum 18. April. Programm und Spielorte finden sich unter www.alfilm.de

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