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Zweiundzwanzig Namen. Der britische Außenminister legt in Tunis einen Kranz für die Opfer des islamistischen Anschlags auf das Nationalmuseum ab.

© AFP

Archäologen gegen den "Islamischen Staat": Den Barbaren trotzen

Eine Ausstellung in Aquileia an der italienischen Adria trauert um die 22 Terrortoten, die im März im Nationalmuseum Bardo von Tunis starben.

UN-Blauhelme zum Schutz der Kulturgüter hat Italien verlangt für die Gegenden, in denen der sogenannte Islamische Staat wütet. Die Unesco als Kulturabteilung der Vereinten Nationen ist auch dafür, aber dem Beschluss von Mitte Oktober werden Taten wohl erst später folgen. Einstweilen prescht Italien auf seine eigene Weise voran, kulturell. Das Archäologische Nationalmuseum in Aquileia in der Provinz Udine zeigt römische Kunst aus dem tunesischen Nationalmuseum Bardo, das am 18. März dieses Jahres von einer islamistischen Terrorbande überfallen worden ist. Damals starben 22 Besucher, unter ihnen vier Italiener.

Die Ausstellung steht unter dem Motto „Verwundete Archäologie“ und soll eine ganze Serie bewusstseinsschaffender Veranstaltungen dieser Art einleiten – jedenfalls wenn man an Ausstellungsstücke der fraglichen Länder kommt, „aber die haben im Augenblick andere Sorgen“, sagt Antonio Zanardi Landi, der Präsident der lokalen „Stiftung Aquileia“, die sich das Projekt ausgedacht hat.

mare nostrum hatte keine Grenzen

Aquileia und Tunesien verbindet eine gemeinsame Vergangenheit: die des römischen Reiches, in dem das Mittelmeer keine geografische, keine politische, keine ideelle Grenze darstellte, sondern als „mare nostrum“ einen geradezu identitätsschaffenden Binnensee. Die „Barbaren“ damals saßen anderswo, und als Bollwerk gegen die unzivilisierten Völker im Osten und Nordosten des italienischen Stiefels war Aquileia im Jahr 181 vor Christus auch gegründet worden. Ein Vorposten, in dem Kaiser Mark Aurel zeitweilig sein Hauptquartier hatte. Die Gründung geschah in derselben Epoche, in dem das Gebiet des heutigen Tunesien – aus den Ruinen Karthagos – zur „prokonsularischen Provinz Afrika“ aufstieg. Genau wie Aquileia war auch dieses „Africa“ Ziel- und Quellpunkte eines üppigen Handels – und prunkvolle Residenzregion reicher Römer.

Nahezu gleich alt, etwa 130 Jahre, sind heute auch die entsprechenden Museen in Aquileia und in Tunis. Sie gehörten im späten 19. Jahrhundert zur kulturellen Selbstfindung der jeweiligen neuen Länder. Und: Wie Aquileia die bedeutendsten und ausgedehntesten antiken Mosaiken auf europäischem Boden beherbergt, so gilt das Bardo als die wichtigste Sammlung dieser Art in Nordafrika.

Da haben sich also zwei Zwillinge wiedergefunden. Ein antiker Kulturraum ist neu zusammengewachsen, wenn auch nur für die sieben Winterwochen der Ausstellung in Aquileia, und das auch nur sehr zaghaft: Aus dem Bardo hat Italien ganze acht Exponate bekommen oder geholt (die offizielle Antwort aus dem Kulturministerium lässt beide Deutungen zu). Viel Geld stand auch nicht zur Verfügung, und ohne private Sponsoren hätte es gar keins gegeben: Dies nur zur Rolle des so wortreichen italienischen Staats bei einem derart verdienstvollen Pilotprojekt.

Besucher staunen über Ruinen

Aquileia denkt natürlich auch an sich selbst: Die altehrwürdige Patriarchenstadt im Norden Italiens fällt bei den Touristen grundsätzlich durch den Rost. Auch wenn man’s jetzt mit dem Werbeslogan „Das Pompeji des Nordens“ probiert – die wenigen zehntausend Besucher, die zwischen dem Mega-Magneten Venedig und den Badestränden der Adria in Aquileia hängen bleiben, die tun dies eher aus Zufall. Und staunen über die Ruinen. Vor allem kommen viel zu wenige. „Wir wollen sie radikal vermehren“, sagt Stiftungspräsident Zanardi Landi. Ob das eine Ausstellung schafft mit nicht mal zehn Sonderexponaten in der Anti-Touristenzeit Dezember und Januar? Nun gut: Man wollte ja ein Zeichen setzen, eine Botschaft vermitteln. Dafür reicht’s.

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