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Blick in die Ausstellung.

© smac, Karla Mohr

Archäologie-Ausstellung in Chemnitz: Vietnam: Entdeckung einer fremden Kultur

Im Staatlichen Museum für Archäologie in Chemnitz werden zum ersten Mal rund 400 bedeutendste Objekte der vietnamesischen Geschichte gezeigt – Entdeckungsreise in eine fremde Kultur.

Die Vorfahren der Vietnamesen müssen sehr musikalisch gewesen sein, zumindest in den Bergregionen Mittelvietnams. Dort entwickelten die Bewohner 2000 vor Christus eine wahre „Klangstein-Mode“. Die 2008 gefundenen 23 Klangsteine, die zwischen 19 und 89 Zentimeter lang sind, gehören zu einem Lithophon, das genau wie ein Xylophon aussieht. Jeder Besucher kann es in der Ausstellung „Schätze der Archäologie Vietnams“ im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (SMAC) ausprobieren. Einmal die Tonleiter rauf und runter – den plumpen Steinen lassen sich erstaunlich hell klingende Töne entlocken. Mitmachen und ausprobieren ist im SMAC erwünscht.

Archäologisch gesehen ist Vietnam ein weißer Fleck auf unserer kulturellen Landkarte, ein Land, das seit 30 000 Jahren versucht, sich zwischen China und Indien zu behaupten. Gerade in Vietnam hat sich die Archäologie in den letzten 60 Jahren sehr stark entwickelt. Es ist daher eine kleine Sensation, wenn nun erstmalig bedeutende Kostbarkeiten das Land verlassen durften. Entwickelt wurde die Ausstellung vom LWL-Museum für Archäologie in Herne, vom SMAC und den Reiß-Engelhorn-Museen Mannheim in enger Zusammenarbeit mit der Kommission für Außereuropäische Kulturen des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI). Motor und Hauptautor des umfangreichen Kataloges ist Andreas Reinicke vom DAI, der seit den 1990er Jahren davon träumt, eine Ausstellung zur Archäologie Vietnams in Deutschland zu veranstalten.

Etliche der gezeigten Objekte stammen aus dem Museum für die Geschichte Vietnams in Hanoi. Dank des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amtes konnten viele der rund 400 Objekte in Deutschland restauriert und konserviert werden, sodass die vietnamesische Seite dann sogar bereit war, das Bootsgrab von Viet Khe (200 v. Chr., Nationalschatz) nachträglich auszuleihen. Dafür bekommen die Vietnamesen die Objekte in einwandfreiem Zustand zurück. Aus diesem Grund ist auch der ehemalige Außenminister und jetzige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Schirmherr der Ausstellung.

Bevor man die Abteilung Steinzeit besuchen kann, betritt man, flankiert von zwei bronzenen Wächtermischwesen aus Hund und Löwe, die Ausstellung. Sie ist durchgängig auf Deutsch und Vietnamesisch beschriftet. Allein in Chemnitz leben über 1000 Menschen mit vietnamesischen Wurzeln, die regen Anteil an der Präsentation ihrer Kultur im Museum nehmen.

Die größte Bronzetrommel (3.-1. Jahrhundert v.Chr.) aus Sao Vang aus dem Norden. Sie misst 124 Zentimeter im Durchmesser.
Die größte Bronzetrommel (3.-1. Jahrhundert v.Chr.) aus Sao Vang aus dem Norden. Sie misst 124 Zentimeter im Durchmesser.

© Nguyen Huuh Thiet, Nationalmuseum für Geschichte Vietnams

Aus der Steinzeit sind flache Zepter aus Nephrit aus Xom Ren erhalten, die zahlreich in Vietnam gefunden wurden. Die Klingen mit zwei Spitzen waren ursprünglich mit einem Griff versehen und dienten kultischen Zwecken.

Da in Vietnam Bambus das vorherrschende Baumaterial war und ist, sind natürlich viele Objekte inzwischen zerfallen. Damit sich der Besucher ein Bild von der Bedeutung des Bambus im Alltag machen kann, wurde ein Raum mit allerlei Gerätschaften aus Bambus eingerichtet.

Wichtig für die Kultur Vietnams ist der Reisanbau, der ab 2000 vor Christus am Ende der Jungsteinzeit beginnt. Dazu werden vietnamesische Reissorten den auf dem europäischen Markt erhältlichen Sorten in kleinen Röhren gegenübergestellt. So ist grüner Reis sehr beliebt für Nachspeisen, und es gibt auch duftenden Jasminreis. Ein nachgebautes Regal aus einem vietnamesischen Geschäft zeigt die ungeheure Vielfalt von Reisprodukten gegenüber dem, was in deutschen Supermärkten zu finden ist. Diese Ausflüge in die heutige Realität sind durchaus hilfreich zum Verständnis der fremden Kultur.

Löwenperle aus Karneol vom Fundort Lai Nghi.
Löwenperle aus Karneol vom Fundort Lai Nghi.

© Andreas Reinecke

Universell gleich scheint die Methode des Salzsiedens zu sein, wie die dreibeinigen Tonständer für die Schalen mit der Salzlake zeigen. Sie sehen aus wie umgedrehte Hühnerbeine und sind so auch in Afrika zu finden, wie Stefanie Müller, eine der Kuratorinnen der Ausstellung, erklärt. Höhepunkt der Schau sind gewaltige Trommeln aus Bronze, die meist kultischen Zwecken dienten. Wieder dürfen sich die Besucher auch hier ausprobieren und den selbst erzeugten Klängen lauschen. Die größte Trommel aus Sao Vang im Norden Vietnams hat einen Durchmesser von 116 Zentimetern. Die Trommelfläche, das Tympanum, ist reich verziert. In der Mitte findet sich oft ein großer Stern, um den herum in konzentrischen Kreisen Menschen und Tiere dargestellt sind. Allerdings lassen sie sich meist nur noch über Abreibungen oder Nachzeichnungen erkennen. In einer Kultur, in der mit organischem Material wie Bambus gebaut wird, sind diese Trommeln Objekte für die Elite – und die Ewigkeit. Ein Film zeigt, wie man diese Trommeln heute herstellt.

Eine der drei Totenmasken aus Gold von Gion Lon
Eine der drei Totenmasken aus Gold von Gion Lon

© Andreas Reinecke

Bedeutend ist der Tempelkomplex der Cham, die vom 4. bis zum 15. Jahrhundert in der Mitte Vietnams herrschten und über 70 Tempel hinterlassen haben. Zum Teil wurden sie bei den amerikanischen Bombenangriffen 1969 zerstört. In der Ausstellung zeigt sich, dass es schon früher eine kulturelle Teilung zwischen Nord und Süd gab. Der Süden stand eher unter den Einflüssen des indischen Subkontinents, was sich etwa in der Ziegelarchitektur ausdrückt, während der Norden die Nachbarschaft zu China nicht leugnen kann. Hier wird öfter Stein verwendet.

Eine Wächterfigur aus der Periode der Späten Le-Dynastie. Zwei von ihnen begrüßen die Besucher am Eingang der Ausstellung "Schätze der Archäologie Vietnams", die noch bis zum 20. August im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (smac) zu sehen ist.
Eine Wächterfigur aus der Periode der Späten Le-Dynastie. Zwei von ihnen begrüßen die Besucher am Eingang der Ausstellung "Schätze der Archäologie Vietnams", die noch bis zum 20. August im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (smac) zu sehen ist.

© Nationalmuseum für Geschichte Vietnams

Die Vielfalt der vietnamesischen Kultur sprengt die Vorstellungskraft. Wer die Schätze in der Nähe entdecken will, muss nach Chemnitz fahren. Phan Dac ist schon da. Der Textilhändler ist der Vorsitzende des vietnamesischen Vereins von Chemnitz. „Viele von uns haben diese Sachen auch noch nie gesehen, wie etwa das Siegel des Kaisers“, erzählt er. „Wenn wir nach Hause fahren, besuchen wir die Familie oder fahren zum Strand. Ich habe viele Landsleute zur Eröffnung eingeladen, sie kamen aus dem ganzen Land. Und die Deutschen lernen viel über Vietnam. Das ist sehr schön.“ Die Ausstellung geht auch auf die Kolonialzeit, den Vietnamkrieg und seine Rezeption in beiden deutschen Staaten ein. Eine Prunkvase mit dem Konterfei von Erich Honecker als Gastgeschenk ist dafür ein kurioses Zeugnis.

Die Kaiserliche Zitadelle von Thang Long: Die Arbeiter stellen die Dimensionen von vier Bauwerken der Späten Le-Dynastie (18. Jahrhundert) in der Ausgrabung nach.
Die Kaiserliche Zitadelle von Thang Long: Die Arbeiter stellen die Dimensionen von vier Bauwerken der Späten Le-Dynastie (18. Jahrhundert) in der Ausgrabung nach.

© Nguyen Huuh Thiet, Nationalmuseum für Geschiche Vietnams

Bis 20. August 2017. Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz, Stefan-Heym-Platz 1 (Brückenstraße 9-11), 09111 Chemnitz.

Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 20 Uhr. Weitere Informationen: www.smac.sachsen.de

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