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Archäologie: Jüdisches Bad entdeckt

Die einst einflussreiche jüdische Gemeinde im mittelalterlichen Erfurt hat eines ihrer bestgehüteten Geheimnisse preisgegeben: Das rituelle Bad, die Mikwe.

Erfurt - Im Frühjahr wurde das mitterlalterliche jüdische Bad bei Erdarbeiten nahe der Krämerbrücke (Erfurt) zufällig entdeckt. Die Archäologen vermuteten das Bad anhand alter Quellen schon lange in dem Areal nahe der um 1100 gebauten alten Synagoge. Frühere Grabungen am Ufer der Gera waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt.

Der doppelstöckige Kellerbau aus sorgsam behauenen Steinquadern sei von außerordentlicher Qualität, sagte der Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Thüringen, Sven Ostritz. "Zwischen die Fugen geht kein Blatt Papier", ergänzte die Archäologin Karin Szcech. Urkundlich belegt ist das Bad seit 1250. In Deutschland seien aus dieser Zeit nur vereinzelte Mikwen erhalten, so in Worms, Speyer, Köln und im thüringischen Sondershausen, sagte Ostritz.

Verschiedene Schätze sollen ausgestellt werden

Erfurt will das seltene Zeugnis jüdischen Lebens für die Öffentlichkeit sichern und erschließen. "Über die Art und Weise können wir erst nach Abschluss der Grabungen entscheiden", sagte Erfurts Baubeigeordnete Ingo Mlejnek (CDU). Er strebt eine Lösung mit der alten Synagoge an, die derzeit für 1,2 Millionen Euro saniert wird. Weitere 300.000 bis 400.000 Euro würden in die Ausstattung der Synagoge fließen. Eine Dauerausstellung soll dort Auskunft geben über die wirtschaftliche und auch geistige Bedeutung der Erfurter Juden.

"Die Hinterlassenschaften der jüdischen Gemeinde suchen ihresgleichen", sagte Ostritz. Die vor einigen Jahren wiederentdeckte alte Synagoge um 1100 sei die einzige aus dieser Zeit in Deutschland. Eine um 1334 vollendete hebräische Bibel-Handschrift, die zuletzt im Erfurter Augustinerkloster aufbewahrt wurde, ist mit 63 Zentimeter Höhe und 47 Zentimetern Breite die größte ihrer Art. Jeder der zwei Bände wiegt 50 Kilogramm. Die Handschrift ist heute im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Erfurt hatte sie 1880 gegen Entschädigung an die Königliche Bibliothek in Berlin abgegeben.

Ostritz hofft, dass sie zumindest zeitweise in der alten Synagoge gezeigt werden kann. Erfurt habe auch den ältesten erhaltenen deutschsprachigen Judeneid. Einmalig sei ein romanischer Schabat-Leuchter, den die Domgemeinde besitze, sowie ein bei Bauarbeiten ausgegrabener jüdischer Goldschatz.

Nossen verspricht sich Besucherzustrom

Zu einer jüdischen Gemeinde gehört die Synagoge, die Mikwe und der Friedhof, sagte der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde, Wolfgang Nossen. In der vom fließendem Wasser gespeisten Mikwe wurde das Geschirr einer rituellen Reinigung unterzogen. Sie wurde aber vor allem von Frauen genutzt, die sich nach ihrer Monatsblutung, vor der Hochzeit und nach Geburten einer Reinigung unterziehen mussten, bevor sie eine Synagoge betreten durften. Aber auch religiöse Männer nutzten das kalte Wasser zur religiösen Reinigung.

Nossen sieht die Mikwe auch als Besuchermagneten. "Touristen besuchen ja nur Städte, wo sie etwas einzigartiges geboten bekommen." Bis dahin müssen die Archäologen jedoch noch so manches Rätsel lösen. "Wir stehen erst am Anfang", sagte Archäologin Szcech. "Noch können wir nicht sagen, wie diese Mikwe funktionierte, wo sich der ursprüngliche Eingang befand und wie lange das Bad im Betrieb war. Sicher ist nur, dass das Bad mit dem weitgehend erhaltenen Tonnengewölbe zu einem Haus am Ufer der Gera gehörte." (Von Antje Lauschner, dpa)

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