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Klare Sache. Das Kulturzentrum von Aires Mateus (re.: Neubau).

© B. Fougeirol/CCC OD

Architekten Aires Mateus: Mit Ecken und Kanten

Kompromisslos klar: Im französischen Tours zeigt das portugiesische Architektenduo Aires Mateus, was sie am Berliner Kulturforum hätten bauen können.

Beim Wettbewerb für das geplante „Museum des 20. Jahrhunderts“ am Berliner Kulturforum kam ihr Entwurf in die engere Auswahl, fiel aber gegenüber dem umstrittenen Siegerentwurf nicht genügend auf: Aires Mateus, ein Architekten- Brüderpaar aus Lissabon, schlug ein flaches Rechteck vor, das über dem Eingangsgeschoss schwebt. Ein kantiger, flacher Kasten, einerseits hermetisch abgeschlossen – im Inneren birgt er einen Hof um den zu erhaltenden Baum –, andererseits durch die Erhöhung über Bodenniveau gerade nicht in der Erde verwurzelt.

Aires Mateus haben in Portugal mit kompromissloser, keinen Moden und Mätzchen nachlaufender Architektur Furore gemacht. Ihre weißen Wohnhäuser fügen sich in den Kontext gewachsener Orte, ohne sich am Volkstümlichen auch nur im mindesten anzubiedern. So wäre auch ihr Berliner Entwurf zwischen dem gläsernen Tempel von Mies und dem expressiven Massiv Scharouns ein eigenständiger, unverwechselbarer Bau geblieben, von einer Zeitlosigkeit, die den Preisträgern des Wettbewerbs eher abgeht. Gerade erst hat die private „Stiftung Zukunft Berlin“ gefordert, den Entwurf von Herzog & de Meuron „deutlich zu verkleinern“ und „anders auszurichten“.

Ähnliche Proportionen wie die Turbinenhalle der Tate Modern

Freilich hat das 1988 gegründete Büro der Brüder Aires Mateus, Manuel (geb. 1963) und Francisco (geb. 1964), noch kein vergleichbar großes Projekt realisieren können. Einen Schritt dorthin allerdings haben sie gerade im französischen Tours gemacht, gelegen an der Loire im Gebiet der Renaissance-Schlösser. Dort wurde jetzt vom Staatspräsidenten ein neues Kunsthaus eingeweiht, das Centre de Création Culturelle, benannt nach Olivier Debré, dem 1999 verstorbenen Altmeister der Abstraktion in Frankreich.

Für Tours haben Aires Mateus einen Kubus entworfen, der seinen großen, ungeteilten Hauptsaal im Inneren verbirgt, umgeben von umlaufenden Galerien auf drei Etagen. Das Erdgeschoss ist verglast und gibt dem natursteinverkleideten Rechteckbau etwas Leichtes, zumal wenn die Glasgalerie bei Dunkelheit von Innen erleuchtet ist.

In Tours war das Gebäude der bisherigen Kunstschule aus der Wiederaufbauzeit der fünfziger Jahre zu ergänzen und als Ausstellungshalle umzubauen. Aires Mateus haben es zu einer hohen Halle entkernt, die an die Turbinenhalle der Tate Modern denken lässt, weitaus kleiner selbstverständlich, aber in den Proportionen durchaus ähnlich: deutlich mehr hoch als breit. Dieses Volumen haben Aires Mateus als Vorbild für den Neubau gewählt und gewissermaßen auf die Seite gelegt – nunmehr eben breit statt hoch.

Kein Museum, sondern eine Kulturfabrik

Das Innere ist schlicht gehalten; nicht karg, sondern reduziert auf das Notwendige. Treppen mit metallenen Geländern, fehlende Saaltüren und stattdessen offene Ecken, durch die man den weiträumigen Hauptsaal betritt. Im schwarz gestrichenen Erdgeschoss bleiben die Versorgungsleitungen an der Decke sichtbar. Auch in Tours soll, zumindest im Erdgeschoss, die Konstruktion vorgeführt werden, soll heißen: Dies ist kein Museum, sondern eine Kulturfabrik. Die Fassaden hingegen, verkleidet mit ortsüblichem Kalkstein, folgen dem Design des ursprünglichen Kunstschul-Bauwerks, das die konservative Wiederaufbau-Mentalität der stark kriegsbeschädigten Stadt Tours zeigt. Zusätzliche Fenster lassen den Altbau jetzt offener wirken.

Es stand nur ein bescheidenes Budget von 16 Millionen Euro zur Verfügung. Das reichte für erstaunliche 4500 Quadratmeter Gesamt- und 2800 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Undenkbar in Berlin! Die ungegenständlichen, farbsprühenden Großformate Olivier Debrés jedenfalls dürften selten so schön zur Geltung gekommen sein wie hier im großen Saal. Ausgerechnet Debré, der die gerade Linie verabscheute! Aber es funktioniert prächtig. Seitens der Stadt Tours ist der ambitionierte Neubau das erkennbare Bemühen, nicht bloß auf die Rolle als Ausgangspunkt für den Schlösser-Tourismus an der Loire reduziert zu werden, und das Bekenntnis der Politik, die eigenen Bürger an der Kultur der Gegenwart teilhaben zu lassen.

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