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Achtung, Ufo! Die künftige Konzernzentrale von Apple in Kalifornien, ein Entwurf des Büros von Norman Foster.

© picture alliance / dpa

Architektur-Forum von Norman Foster: Einfach mal die Zukunft designen

Die Zukunft hier und heute antizipieren: Der Architekt Norman Foster hat in Madrid mit einem prominent besetzten Forum über die Stadt von morgen diskutiert.

Ein „ganzheitlicher Ansatz der Gestaltung“, sagt Norman Foster, sei es, was seine jahrzehntelange Arbeit kennzeichne. Gewiss, Foster ist Architekt von Beruf, doch hat er sich nie darauf beschränkt, nur Gebäude zu entwerfen. Immer, so beschreibt er es im Gespräch, habe er die Tätigkeiten des Architekten und des Ingenieurs zusammenführen, einen Beitrag zur Verbesserung der Welt und der Umwelt leisten wollen. Als Zuhörer denkt man an den Reichstagsumbau, wo Foster die Bundestagsabgeordneten nicht nur mit seinem Kuppel-Design überzeugte, sondern ebenso mit seinem nachhaltigen Energiekonzept.

Als Architekt hat Foster, der 1935 in Manchester in bescheidenen Verhältnissen geboren wurde, im Laufe von fünf Jahrzehnten Berufstätigkeit einfach alles erreicht. Seine Bauten stehen in zahlreichen Ländern und auf mehreren Kontinenten, und wenn, dann bilden sie meist Landmarken, Meilensteine eines technikorientierten Designs, glatt, glänzend, markant. Vom Designer hat Foster das makellose Finish, vom Ingenieur die anspruchsvolle Technik; seine ureigene Aufgabe als Architekt ist es, ein Gebäude so zu organisieren, dass Zweckerfüllung und äußere Erscheinung nahtlos zusammenfinden.

Vor einiger Zeit hat Foster eine Stiftung ins Leben gerufen, um angehenden Architekten das zu bieten, was er selbst sich mit Gelegenheitsjobs verdienen musste: Bildungsreisen, um den eigenen Horizont zu weiten. Jetzt hatte die Stiftung ihren ersten öffentlichen Auftritt, an ihrem Sitzort Madrid, wo ein ehemaliges Adelspalais der Belle Époque hergerichtet wurde. Die Stadt genießt ihre Anziehungskraft, die sie in der Wahl Fosters – auch Manhattan oder Berlin hatten zur Debatte gestanden – bestätigt findet.

Städte, Technologie, Infrastruktur lauteten die Großthemen

Foster denkt groß, und so fand das erste „Forum“ unter dem Titel „Die Zukunft ist jetzt“ gleich im Königlichen Opernhaus statt, um die vielen hundert Interessenten auch ja aufnehmen zu können. Um nichts Geringeres ging es, als die Zukunft hier und heute schon zu antizipieren, und das mit einem missionarischen Eifer, den Foster sich wohl von seinem bewunderten Mentor abgeschaut hat, dem amerikanischen Visionär und Technik-Bastler Buckminster Fuller.

So ungefähr auch das Forum: Städte, Technologie sowie Infrastruktur lauteten die Großthemen, zu deren Durchdringung sich Foster zugkräftige Namen geladen hatte. Er selbst, am Tag seines 82. Geburtstags von beneidenswerter Frische, lieferte ein Plädoyer für die Stadt als Motor und Gefäß des Fortschritts, ausgehend von statistischen Tatsachen wie der, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung bereits in Städten lebt, dieser Anteil weiter zunimmt wie auch jener am Weltenergieverbrauch – „aber Städte schaffen Wohlstand“. Das Automobil sieht Foster als „Dinosaurier“, der bald verschwinden werde; Wegbereiter des Fortschritts einst, Feind des Städtischen heute.

Michael Bloomberg unterstrich die Bedeutung der Kultur

Von der Politik klagt Foster „Planung“ ein, und da hatte er sich mit Michael Bloomberg, dem Selfmade-Milliardär und drei Wahlperioden amtierenden New Yorker Bürgermeister, genau den Richtigen für sein Forum geholt. Bloomberg nannte als Rezept, „Ziele zu benennen und den Weg dorthin aufzuzeigen“, und hatte Beispiele parat, wie mit wenig Aufwand große Wirkung zu erzielen sei: Hätte jemand gedacht, dass ein bisschen Pflastermalerei die verstopften Straßen Manhattans in urbane Zonen und Plätze verwandeln könnte? Ausgerechnet der Businessman Bloomberg unterstrich die Bedeutung von öffentlichem Nahverkehr für die ökonomische Entwicklung und neue Jobs – und von Kultur: „Kultur bringt viel schneller Kapital in die Stadt als Kapital die Kultur“, spielte er auf die Mobilität von Zukunftsunternehmen und qualifizierten Arbeitskräften an.

Die zweite Runde kam in einer von der Regie kaum vorgesehenen Schärfe auf diesen Themenkomplex zu sprechen. Zunächst führte Matthias Kohler von der ETH Zürich dem staunenden Publikum in einem Video vor, wie weit die praktische Erprobung von automatisiertem Bauen bereits voranschreitet: Da schichten Drohnen Backsteine zu waghalsig gekurvten Mauern, wird schnell härtender Beton ohne Schalung hochgezogen, entstehen Häuser aus dem 3-D-Drucker. Nicht zuletzt designen Computer ganze Bauteile wie etwa Decken mit integrierter Gebäudetechnik.

Gebäude, die wie aus einem Samen wachsen

Als dann auch noch der Mitbegründer des Media Lab an der Spitzen-Uni MIT, Nicholas Negroponte, das „Ende des Bauens aus Einzelteilen“ ankündigte und stattdessen Gebäude „wie aus einem Samen emporwachsen“ sah, kannte die Technikeuphorie keine Grenzen mehr.

Doch von wegen: Es intervenierte der britische, in Harvard lehrende Historiker Niall Ferguson, der seit vielen Jahren mit provokanten, aber hervorragend fundierten Thesen seine Zunft aufmischt, wie derjenigen über den Siegeszug des Westens („Der Westen und der Rest der Welt“, 2011). Ferguson sieht die Gegenreaktion kommen, „sobald die Europäer begreifen, dass die Technologie ihnen ihr Werkzeug aus der Hand nimmt“. Er nannte die Technik-Vordenker „historisch ignorant“ und verwies darauf, dass Erfindungen und Innovationen in der Geschichte stets zu „unvorhergesehenen Folgewirkungen“ führen, wie die Druckerpresse, die die Macht der Kirche brach.

Der Ausbau städtischer Infrastruktur soll Ungleichheit bekämpfen

Überhaupt werde technischer Fortschritt zumeist von Konflikten vorangetrieben (was allerdings schon der alte Grieche Heraklit erkannte). Negroponte versuchte daraufhin, die Bedeutung von Arbeit und Arbeitsplatz im heutigen Sinne zu relativieren, um der drohenden Maschinenstürmerei die Spitze zu nehmen, aber der Zweifel war nun auch auf dieser Optimisten-Veranstaltung gesät.

In der dritten Runde schließlich konnte Alejandro Aravena, seit der von ihm geleiteten letztjährigen Architekturbiennale von Venedig der Liebling solcher Foren, ein weiteres Mal für den Ausbau städtischer Infrastruktur als Voraussetzung der Bekämpfung von Ungleichheit, sozialer wie ökonomischer, plädieren. Die Seilbahnen, die im kolumbianischen Medellín mittlerweile auch Favela- Bewohner zu den begehrten Arbeitsplätzen transportieren und stundenlange Fußmärsche überflüssig machen, durften als Wandprojektion nicht fehlen.

Janette Sadik-Khan, unter Bloomberg New Yorker Stadträtin für Verkehr, argumentierte in dieselbe Richtung und fügte aus Erfahrung hinzu, die Bürger seien in solchen Fragen der Politik weit voraus.

Auch Kleines kann Großes bewirken

Nur die Frage von CNN-Chefkorrespondentin Christiane Amanpour nach „bezahlbaren Wohnungen“ fiel irgendwie unter den Tisch. Stattdessen kam am Schluss das „Droneport“, der Flughafen für Transportdrohnen, zu allen Ehren. Es ist das Lieblingsprojekt Fosters, das er in Venedig in einem Versuchsbau vorgestellt hat: leicht zu errichten, aus simplem Material, damit auch unzugängliche Gegenden aus der Luft etwa mit Medikamenten versorgt werden können, aber zugleich einen „sozialen Mittelpunkt“ bilden. Wie hatte es im Verlauf der Tagung so schön geheißen? Auch Kleines könne Großes bewirken.

Dass das Madrider Forum „key issues“ – Schlüsselthemen – angesprochen hat, steht außer Frage. Dass allerdings vom Schaulaufen einschlägiger Prominenz mehr oder minder nur Schlagworte ausgehen, ebenso wenig. Die „Ferguson-Kontroverse“ allerdings, wenn man sie einmal so nennen will, verdient weitere Vertiefung, gerade in Europa, dem die heutzutage viel beschworene „Disruption“ der Ökonomie wohl noch bevorsteht.

Unbeirrt nur der Ermöglicher dieses Schnell-Denk-Tages: „Ich habe Vertrauen in die Zukunft“, schloss Foster das Forum. Dafür gab’s vom bis zum Schluss voll besetzten Auditorium stehende Ovationen. Manchmal ist strahlende Zuversicht einfach nur schön.

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