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© AP

Architektur: Prinz Charles und das Gucci-Ghetto

Will Prinz Charles aus London eine altbackene Stadt machen? Unser London-Korrespondent lobt den baulichen Sachverstand des britischen Thronfolgers.

Britische Monarchen und die es werden wollen müssen sich das Recht auf den Thron mit eisernem Schweigen erkaufen. Sie stehen über der Debatte, das demonstriert die Queen vorbildlich, die seit Jahrzehnten nichts Bemerkenswertes gesagt hat. Anders der Sohn. 25 Jahre nachdem Prinz Charles mit seiner „Karbunkel“-Rede der modernen Architektur die Leviten las, mischt er sich wieder ein.

Charles, der am Mittwoch Berlin besucht, will Lord (Richard) Rogers of Riverside um einen Job bringen – mit einer „erzkonservativen Attacke auf den modernen Lebensstil“, schimpft man in der Planungsfabrik des Stararchitekten. „Er will, dass wir alle in der Toga herumlaufen“ und mit spießigen Vorstellungen von klassischer Symmetrie die „Spannung des modernen Lebens“ ersticken, wird behauptet. Der „Guardian“ gar warnte, Charles wolle aus London eine altbackene Stadt machen.

Mit einem Brief an seinen guten Bekannten, den Emir von Qatar, brachte Charles ein Wohnbauprojekt in Misskredit, das die Qataries mit Rogers im Herzen Londons angeschoben haben. Charles stört weniger, dass direkt neben dem historischen Royal Hospital ein „Gucci Getto“ aus 350 Luxuswohnungen entsteht, sondern vor allem, dass es mit seinem halben Dutzend massiver Glas- und Stahlblocks fantasielos wie Wachsoldaten auf dem ehemaligen Kasernengelände stehen soll. „Unpassend“, entschied Charles, was auf King’s English heißt: „Scheußlich!“

Niemand widersprach. Bürgergruppen, die gegen die Pläne Sturm laufen, waren dankbar. Londons stellvertretender Bürgermeister Kit Malthouse war ermutigt, von „urbanem Vandalismus“ zu sprechen. Kontrovers war eigentlich nur, dass Charles einen Plan seines Leibarchitekten Quinlan Terry ins Spiel brachte, bei dem die Wohnblocks aussehen wie eine Großkaserne aus der Gründerzeit.

Flugs kamen die berühmtesten Architekten der Welt dem Kollegen Rogers per Leserbrief in der „Sunday Times“ zu Hilfe. Lord Foster, Zaha Hadid, Herzog und de Meuron, Renzo Piano, Frank Gehry verteidigten zwar nicht den Entwurf, aber die demokratische Grundordnung. „Offene Planungsprozesse“ dürften nicht durch privates Manövrieren beeinflusst werden, deklamierten sie. „Er ist gar nicht gewählt“, wetterte ein Briefunterzeichner, der Designberater der Olympischen Spiele 2012, Richard Burdett. Aber natürlich ist auch er nicht gewählt.

Der Vorwurf, Charles operiere nur kraft seiner Geburt, ist etwas fadenscheinig. Die Grundprinzipien seiner „Vision of Britain“ (Regionalismus, menschliche Maßstäbe, Harmonie und Materialtreue) werden längst anerkannt. Internationale Architekten rümpfen zwar die Nase über sein bodenständiges Musterdorf Poundbury. Aber es ist beliebter und erfolgreicher als die meisten britischen Siedlungsprojekte. Mit seinem „Institut für Architektur“ war Charles ein Vorkämpfer der „Community Architektur“, die Bürgerkompetenz gegen Architektenherrlichkeit ins Feld führt und seine „Stiftung für die bebaute Umwelt“ übt fachkompetent Einfluss auf Planungsprozesse aus.

Charles hat seine Architekturinterventionen bisher zum Besten Londons eingesetzt. Als er den Anbau der Nationalgalerie als „Karbunkel im Gesicht eines alten Freundes“ (des Trafalgar Squares) kritisierte und zu Fall brachte, sprach er dem Volk aus dem Herzen. Den Vormarsch der internationalen Moderne in London hielt er nicht auf. Aber die Londoner sind ihm dankbar, dass neben der St. Paul’s Kathedrale heute nicht ein herzloser Maschinenbau nach einem uralten Entwurf Mies van der Rohes steht, sondern sich dort der würdige „Paternoster Square“ befindet. Am 12. Mai wird Charles übrigens wieder im Architekteninstitut reden. 25 Jahre nach der „Karbunkelrede“ wollte man eigentlich das Kriegsbeil begraben.

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