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Architektur: Stadtreparatur

Überfüllt: Die Preisverleihung des Architekturpreises Freitag Abend im Radialsystem

Stadt erfinden, Stadt erneuern, Stadt reparieren: Nach dem Fall der Mauer stand Berlin vor der Herausforderung, all dies bitte im Eiltempo zu bewerkstelligen. Nun haben die Juroren des Architekturpreises Berlin 2009 das Mauerjubiläum zum Anlass genommen, unter den 96 eingereichten Projekten solche auszuzeichnen, die ohne die Wende vor 20 Jahren nicht denkbar wären. Das betonen Paul Zillich und Florian Mausbach vom Vorstand des Vereins Architekturpreis bei der Preisverleihung am Freitagabend im Radialsystem ebenso wie Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Deren Behörde unterstützt die seit 1996 alle drei Jahre vergebene, von zivilgesellschaftlichem Engagement getragene unabhängige Initiative auch finanziell. Beide, der Sonderpreis für David Chipperfields Neues Museum und der Hauptpreis für das Wohnprojekt am Mauerpark, reagieren auf das Unvermutete, die Beinahe-Ruine, die Brache. Auch die acht Auszeichnungen würdigen das Bauen „im ungewöhnlichen, beinahe unmöglichen Bestand“ ( Paul Zillich), passend zum Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation.

Eigentlich ist Berlin ja keine gute Stadt fürs Urbane. Der Schauspieler und Schriftsteller Hanns Zischler skizziert für die im überfüllten Hauptsaal des Radialsystems sich drängelnden Architektenteams und Bauherrengemeinschaften das ganz große historische Bild. Sein Festvortrag, ein gewitzter, bedenkenswerter Kontrapunkt zu den Lobeshymnen des Abends, lenkt den Blick nicht auf Berlin seit 1989, sondern auf jene Vorzeiten, als hier erstmals im Sumpf gesiedelt wurde. Die Stadt im Urstromtal zwischen Havel und Spree tut sich schwer mit ihrem sandigen Grund, mit der Botschaft der Geologie: „Berlin ist zu groß für Berlin“, ruft Zischler. Immer schon hat die Stadt sich ungehindert ausgebreitet; wer am Boden kratzt, stößt auf keinerlei Widerstand. Kein Fels, auf den man bauen könnte, und alles drängt ins Weite. „Expandierende Abrisslust ohne Verdichtungsabsicht“, das tut auch der Architektur nicht gut.

Umso schöner, dass an diesem Abend eben nicht die Fassadenarchitektur, die städtischen Showrooms und das Spektakuläre geehrt werden, sondern das Temporäre (wie die Zwischennutzer des Schlossplatzes) oder die fantasiereiche Umnutzung. Jörg Ebers, als Architekt des Wohnprojekts Strelitzer/Bernauer Straße am Mauerpark einer der Hauptpreisgewinner, spricht in seinen Dankesworten vom „Eigenen, Eigenartigen, Angeeigneten“. Derweil wandert die Preisplakette von Hand zu Hand, in der samt Kinderschar beinah vollständig versammelten Wohngemeinschaft vom Prenzlauer Berg. Christiane Peitz

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