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Kultur: Arsen und Spitzentäubchen

Vorsicht, heiß! François Ozons Kino-Krimi „Swimming Pool“ erzählt von einem höchst liederlichen Sommer im Luberon

Über diesen Film könnte man einige schlaue Sätze schreiben. Zum Beispiel, dass ein Swimmingpool, also so ein knallblaues, rechteckig eingefasstes Becken mit spiegelglatter Wasseroberfläche ja eine Art Leinwand darstellt – ideale Projektionsfläche für alle Arten von sommerlich flirrenden Fantasien. Pervertierte Natur oder auch: denkbar künstliche Wirklichkeit. Wer darin eintaucht, fühlt sich dennoch ganz real belebt und erfrischt.

Überhaupt, dieses Flirren unter südlicher Sonne: Wenn die Krimi-Autorin Sarah Morton das Ferienhaus ihres Verlegers in der Provence bezieht (mit Pool im Garten), um mal einen etwas anderen Roman zu schreiben, wenn diese ältlich verhärmte britische Lady dort auf des Verlegers Tochter Julie trifft, ein sexy Girlie à la française mit Lipgloss und nabelfrei und Korkplateausohlen, ist die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion im Nu verwischt. Julie, diese aufreizend chaotische, verboten junge Nervensäge muss einfach ein Geschöpf aus Sarahs greller literarischer Fantasie sein. Und Julies jugendliche Lover, der Gärtner mit dem Strohhut, der freundliche Kellner aus der Dorfkneipe, die verwachsene kindliche Greisin aus dem Nachbarhaus – all diese Figuren bevölkern den Film wohl bloß deshalb, weil auch sie dem Roman entspringen, den Sarah gerade am Laptop verfasst. Ganz zu schweigen von den nächtlichen Whiskey-Gelagen der beiden Frauen, der Blutspur am Pool, der verbrannten Kleidung im Kamin, und dem Problem, wie man in einem Landhaus im Luberon eine Leiche verschwinden lässt...

Also: Vexierspiel. Das Käseschachtelprinzip, Bild im Bild im Bild. Mit augenzwinkernden Störmanövern, mysteriösen Fährten und schrillen Zeichenspielen. Blau der Pool, weiss Julies Badeanzug, dazu eine knallrote Luftmatratze – der Film trägt die Farben der Trikolore. Nach Spike Jonzes „Adaptation“ sowie Steven Soderberghs „Full Frontal“ also schon wieder ein Versuch über die Verfertigung der Geschichte im Moment des Erzählens. Macht nichts: Von Regisseur François Ozon weiss man spätestens seit seinem Kinohit „8 Frauen", wie trefflich er die Selbstreflexion des Metiers in das raffinierte Gewand des Diven-Duells zu kleiden versteht.

Diesmal kulminiert der Krimi-Plot wirklich im Duell: Charlotte Rampling, die schon in Ozons „Unter dem Sand“ die Hauptrolle spielte, gegen Ludivine Sagnier, die Jüngste aus dem Bund der „Huit femmes“. Allein ihre Blicke: Die Rampling, anfangs noch in London beim kurz angebundenen Gespräch mit ihrem Verleger („Mögen Sie Frankreich?“ – „Ich mag Froschschenkel.“), hat ein unerschöpfliches Repertoire. Mal guckt sie konsterniert, mal sinnierend, wütend, eingeschnappt, verschmitzt und nicht selten mit sadistischer Lust am Perversen. Das alles streng, mit schmaler Unterlippe, minimalistisch. In der Provence taut sie allmählich auf, schlingt im Gartencafé den Nachtisch unvermittel wie ein halbverhungertes Kleinkind hinunter, lächelt listig in sich hinein, als sie Julies Tagebuch für ihre Schreibzwecke zu plündern beginnt und stiebitzt nachts aus dem Kühlschrank einen Schluck Wein – um Julies Flasche sorgfältig mit Wasser wieder aufzufüllen. Ihre Kleidung wird femininer, die Haltung gelöster. Aber immer, und das macht ihr Spiel so vergnüglich, wahrt sie dabei Contenance: eine latent aggressive, britische Kühle.

Ludivine Sagnier hält dagegen: mit überbordender Vitalität, laszivem Sexappeal, schierer Präsenz. Die Alte denkt sich alles nur aus, ich hingegen lebe rund um die Uhr. Hemmungslos tastet die Kamera ihren Body ab, der sich im Liegestuhl räkelt, Zentimeter um Zentimeter. Dieser Voyeurismus kennt keine Scham. Schon toll, wie Sagnier sich alle Blößen gibt und trotzdem souverän bleibt. Jede Pore ihrer Existenz ist eine Kriegserklärung an Sarahs ältliche Haut. Und alle – Autoren, Filmemacher, Künstler – sind nicht besser als diese „frustrierte Engländerin, die zwar über Schweinkram schreibt, aber zu verklemmt ist, selber welchen zu machen“, wie Julie gerne schimpft.

Okay, Ozon verteidigt seinesgleichen: Wenig später wird ausgerechnet Sarah Julies Verführungskünste in den Schatten zu stellen versuchen. Aber die Kamera ist dabei so dreist, auch noch den letzten Rest von ästhetischem Anstand fahren zu lassen. Im Duell der Pickel und Pigmente spielt sie den gnadenlos unparteiischen Schiedsrichter. Auch darüber könnte man sich angesichts von „Swimming Pool“ schlaue Gedanken machen: über weibliche Identität im Konkurrenzkampf einer Mutter-Tochter-Konstellation. Und über die Frage, warum Sexismus kein Sexismus ist, wenn er sich unverhohlen als solcher zur Schau stellt und sich auf diese Weise entlarvt.

Man könnte sich aber auch einfach köstlich amüsieren. Nicht nur über Rampling und Sagnier, diese unglaublich spielfreudigen Frauen, gegen die die Männer hoffnunglos lächerliche Figur machen (tapfer: Charles Dance, Marc Fayolle, Jean-Marie Lamour). Sondern vor allem über die Rache, die spätestens am Tag mit der Leiche im Schuppen ins Spiel kommt. Denn erstens verhält sich Julie, dieses Luder, wie so viele fantastische Geschöpfe: Es rächt sich an seiner Erfinderin. Zweitens rächt sich selbstredend auch Sarah immer trickreicher an der neuerlichen Freiheit, die sich das Mädchen da nimmt, dichtet ihr gar eine britische Variante an, mit hässlichem Antlitz samt ekliger Zahnspange.

Und drittens rächt sich der Film – an uns. Ein Luder von einem Stück Kino ist das, so unverschämt selbstbewusst, wie jedes Detail, jede Einstellung, jede Kamerafahrt die eigenen Reize zur Schau stellt. Eine listige, schnippische, unwiderstehliche Provokation. Schaut her, wie verlockend wir sind, rufen die Bilder uns zu. Aber kriegen tut ihr uns nie. Gemein!

Ein Interview mit dem Regisseur François Ozon auf der Kinoseite 28.

In Berlin im Adria, Cinema Paris, Cinemaxx Potsdamer Platz, International, Kulturbrauerei, Yorck; mit französischen Untertiteln im Babylon Kreuzberg, mit englischen Untertiteln im Cinestar Sony Center.

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