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Kultur: "art forum": Ausgebremst!

Als Mitte der neunziger Jahre die Kölner Kunstmesse in organisatorische Turbulenzen geriet und die Unzufriedenheit vieler Galeristen nährte, entschlossen sich 14 namhafte Kunsthändler zum Protest mit einer Gegenmesse. Sie entschieden sich für das gerade wieder aufblühende Berlin, die zukunftsfiebrigste Stadt auf dem europäischen Kontinent.

Als Mitte der neunziger Jahre die Kölner Kunstmesse in organisatorische Turbulenzen geriet und die Unzufriedenheit vieler Galeristen nährte, entschlossen sich 14 namhafte Kunsthändler zum Protest mit einer Gegenmesse. Sie entschieden sich für das gerade wieder aufblühende Berlin, die zukunftsfiebrigste Stadt auf dem europäischen Kontinent. Die zwölf Gesellschafter aus dem Rheinland und die zwei Gesellschafter aus Berlin gründeten in Düsseldorf die European Galleries, die seit 1996 jeden Herbst das "art forum berlin" veranstalten. In diesem Jahr wurden 170 Galerien zugelassen, die vom 2. Oktober an unter dem Funkturm ihre Kunst präsentieren.

Die Messe in Berlin war eine Kölner Erfindung und diente als Druckmittel für bessere Bedingungen. An der ersten Messe nahm eine Vielzahl prominenter rheinischer Galerien teil. Sie wollten ihren Forderungen nach Innovation gegenüber der seit drei Jahrzehnten bestehenden Kölner Messe Nachdruck zu verleihen. Mit Erfolg. Die Kölner fanden Wege, die Reformvorschläge der Händler aufzugreifen. Auf den jüngsten Berliner Messen blieben daher viele Kölner wieder weg. Sie hatten erreicht, was sie wollten. Die Berliner haben nun eine Frucht zu pflegen, die ihnen als Ergebnis einer ebenso trotzigen wie übermütigen Affaire zugefallen war. Denn eine Berliner Messe, die den Ansprüchen der jungen Händler, Künstler und Vermittler, gar dem spirit des hiesigen aus vielen Pioniertaten erzeugten Klimas entspräche, ist das "art forum" bislang nicht geworden.

Rücktritt des Beirats

Erst letztes Jahr gab die Geschäftsleitung dem wachsenden Druck auf Mitsprache nach und erlaubte sechs Galeristen aus Berlin eine ehrenamtliche "beratende Tätigkeit". Zwar blieben die Geschäftsanteile in rheinischer Hand. Aber das kleine Zugeständnis wurde in allen Berliner Medien gefeiert und galt als mühsam ertrotzter Sieg gegen die Übermacht am Rhein. Doch im Juni dieses Jahres trat der Beirat entnervt zurück. Die Lage hatte sich zum Zerreißen gespannt. Ein maßgeblicher Teil der Berliner Händler war entschlossen, die Anmeldefrist zur diesjährigen Messe verstreichen zu lassen, ließ sich dann aber mit der moralischen Keule "Standortverantwortung" und durch unumkehrbare Absprachen mit auswärtigen Galeristen zur Teinahme breitschlagen. Nur ein Galerist - Max Hetzler - hatte die Chuzpe, seinem Urteil über die verantwortlichen Organisatoren Nachdruck zu verleihen. Er lehnte die wiederholte Einladung ab, weil er damit rechnen kann, der sichtbarste Nichtteilnehmer zu sein. Was war geschehen?

Die in Berlin ansässigen Händler haben ein vitales Interesse daran, dass die 150 Galeristen aus anderen Städten die besten Bedingungen vorfinden. Denn nur wenn die auswärtigen Galeristen in Berlin gute Verkäufe erzielen, wird die Messe tatsächlich ein Erfolg. Dies war in den letzten Jahren nicht immer der Fall. Für die Mehrzahl der Berliner Händler steht - allen Vorurteilen zum Trotz - auf dem "art forum" nicht ihr Verkaufsinteresse an erster Stelle, sondern die Strahlkraft des Kunststandorts Berlin. Jede Stadt hat ihr spezifisches Klima. In einer Kunstmesse sollte diese Qualität spürbar werden. Doch das Profil des "art forums" konnte sich trotz vielversprechender Vorstösse nicht davon befreien, eine Notausgabe der Kölner Vordenker zu sein. "Das Schlimmste ist", sagt Burkhard Riemschneider, der mit Tim Neuger Geschäftsführer der international erfolgreichen Galerie "neugerriemschneider" ist und Mitglied des Beirats war, "dass die Geschäftsführung überhaupt nicht versteht, was wir wollen. Sie lebt in der Welt des traditionellen Kunsthandels. Sie spüren es nicht und sie sehen es nicht, was hier geschieht und für die Messe langfristig notwendig ist. Aber um nicht missverstanden zu werden," fügt er hinzu: "Personalprobleme sind zweitrangig. Es gibt ein Strukturproblem." Eine Galeristin, deren Galerie zu den Glanzlichtern der Stadt gehört und die sich über Monate hinweg im Beirat mit Vorschlägen zur Optimierung der Messe engagierte, doch nicht genannt werden möchte, meint: "Der Beirat war eine Farce. Die Geschäftsanteile liegen nach wie vor in den alten Händen. Wir waren ohne formal-rechtliche Grundlage und wurden wie Bittsteller behandelt."

Der Sprecher der European Galleries und Vorsitzende der Auswahlkommission Thomas Schulte vermag dagegen tiefgreifende Probleme nicht zu sehen. "Wir haben uns konstruktiv mit dem Beirat auseinandergesetzt. Einige Gesellschafter aus dem Rheinland wollen wohl mehr Geld für ihre Anteile herausholen. Das müssen wir abwarten. Aber wenn ein Produkt stimmt, wird es auch ein Erfolg. Und das Produkt "Messe" stimmt. Momentan ist eine Menge in der Schwebe. Wir müssen uns jetzt fragen, ob die Strukturen so sind, dass die Messe überlebt. Aber ich gehe davon aus, dass es auch 2002 eine Messe geben wird." Der Kunsthändler Volker Diehl hat die dreifache Last zu tragen, die Geschäfte der European Galleries sowie die Interessen aller Messeteilnehmer und die seiner eigenen Galerie zu vertreten. Mit dieser dreifachen Funktion konnte Diehl, der nebenbei noch ein Restaurant betreibt, bislang ohne Kollisionen jonglieren. Und es ist sein Verdienst, dass die Kunstmesse mit der Bankgesellschaft Berlin von Anfang an einen zahlungskräftigen Hauptsponsor fand. Der gewährt Planungssicherheit und fördert die European Galleries mit einem Betrag, der eine direkte Subvention des Senats für das Berliner Schmuckstück erübrigt. Darin sehen viele einen Gewinn. Doch die Vorschläge der Beiräte zugunsten neuer Vermittlungsformen, ließ er so lange ins Leere laufen, bis sie verstummten.

Segel setzen

Dieses Jahr enden die Verträge der European Galleries mit der Messegesellschaft und dem Hauptsponsor. Neuverhandlungen sind im Gange. Falls die Gesellschafter vom Rhein ihre Anteile - etwa an die Messegesellschaft - verkauften, so wird spekuliert, würden die Karten neu gemischt, aber das alte Spiel tradiert. Eine Kunstmesse mit Zukunft könne es nur geben, so Max Hetzler, wenn sich die jungen Pioniere vertreten fühlten oder konzeptuell das Heft in die Hand bekämen. Oder wenn sie einen Kopf fänden, der den Wind der Veränderung zu deuten und die Segel zu setzten weiß: der ehemalige Galerist Paul Maenz zum Beispiel.

Für Künstler ist Berlin und nicht mehr Köln der Produktivraum und das Premierengebiet. Die Stadt könnte damit zum maßgebenden Geschäftsraum werden. Gelänge es den Berlinern, daraus eine internationale händlerische Drehscheibe zu etablieren, sähe die Perspektive in Sachen junger Kunst mit Wertzuwachs auch für ihre Präsenz in öffentlichen Institutionen blendend aus. Die European Galleries erwarten am 13. September die 16 Messeteilnehmer aus Berlin zum Gespräch, um kund zu tun, und wie es um die Zukunft der Messe bestellt ist. Übereinstimmung herrscht nur darin, dass die immensen Vorsprünge in der künstlerischen Produktion gegenüber allen anderen Städten auf dem europäischen Kontinent nur mit händlerischer Perspektive in der Stadt gehalten werden können.

Peter Herbstreuth

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