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Blick auf die Skulpturenräume der Art Karlsruhe mit Arbeiten von Angelika Summa.

© Jürgen Rösner / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Art Karlsruhe: In Echtzeit

Während Berlin dieses Jahr auf eine Messe verzichten muss, blüht in Karlsruhe das Geschäft mit der Kunst. Das wirkt sich auch auf die Preise aus.

Unkenrufe gab es viele, und das Gros der Galerien belächelte Ewald Karl Schrade, als er 2004 neben dem Berliner Art Forum und der Art Frankfurt einen weiteren Marktplatz aus der Taufe hob. Beide sind Geschichte, die Art Karlsruhe aber stellt ihre spezielle Anziehungskraft auch in der nunmehr 17. Ausgabe unter Beweis. Rund 50 000 Besucher sollen kommen, und der internationale Anteil konnte mit 59 Galerien aus 15 Ländern einmal mehr gesteigert werden. 210 Aussteller in vier Messehallen. Ein Marathon mit qualitativen Höhen und Tiefen – doch Karlsruhe ist im Kunstmessenfieber.

„Da ist ein spürbarer Rückhalt in der Stadt, die Menschen nehmen eine Haltung zur art ein“, sagt Andreas Herrmann. Der Berliner Galerist (Mianki) präsentiert den jungen Medienkünstler Jakob Kupfer: Flirrende Lichtbildnerei auf LCD-Bildschirmen, deren Landschaften unser Gehirn formen (4300 Euro). Auch wenn Sammler noch verhalten agieren – wo, wenn nicht hier, sollte man mit medialen Experimenten reüssieren? Erst kürzlich wurde Karlsruhe von der Unesco als „Creative City of Media Arts“ ausgezeichnet. Ein Verdienst des Zentrum für Kunst und Medien, das seit 1989 von hier aus wirkt. Die Messe zieht mit und auch Peter Weibel, war als künstlerischer Leiter des ZKM anwesend.

"Der macht mich älterm als ich bin!"

Auf der Museumsmeile der Messe sorgt das ZKM mit der Ausstellung „YOU:R:CODE“ für Furore. Auf fünf lebensgroßen Displays erscheinen Besucherinnen und Besucher in Form ihrer Codes. Natürlich in Echtzeit. Als eine Dame die Rubrik Spuren sozialer Medien streift, erscheint neben ihrem Konterfei: height 1,57 m, gender female, age 61. „Der macht mich älter, als ich bin“, beschwert sie sich. Prompt setzt der Algorithmus ihr Alter auf 48 herab. Umringt wird die hintersinnige Installation vor allem von der Generation 50 plus, während sich das jüngere Publikum in den klassischen Kojen tummelt. Andächtig betrachtet ein junges Paar das „Porträt eines Südseeinsulaners“ bei Dr. Michael Nöth aus Ansbach. Auf dem Begleitschild liest der Mann: „Nolde! Das ist ein echter Emil Nolde.“ Der Preis ist auf Anfrage. Sie ziehen weiter.

Zur Anerkennung der Künstler gehört eben auch der Respekt vor den Preisen. Dagegen steuert Schrade als Kurator und Patron der Art Karlsruhe nach wie vor auch mit Druckgrafik. Beim Angebot der Galerien, in Sonderschauen oder -ausstellungen. „Wenn Einsteiger sich mit echter Kunst umgeben können und damit auch den Einstieg ins Sammeln finden“, sagt Britta Wirtz, seit 2009 Geschäftsführerin der Messe Karlsruhe, „spiegelt das den demokratischen Ansatz der Messe.“

Helge Schneider fotografiert, Bob Dylan malt

Der hat allerdings zur Folge, dass ein Teil der Händler mit Druckgrafiken im fünfstelligen Bereich anreist, um mit Namen wie Picasso, Feininger oder Bacon zu locken. Oder ihre Wände gleich mit nationalen oder internationalen Promis bestücken: Dieter Nuhr und Helge Schneider fotografieren, Bob Dylan malt. Wir ahnen es: Originale des Literaturnobelpreisträgers wären kaum erschwinglich, so bietet Premium Modern Art das bunte Allerlei als Glicees-Prints feil. In einer Auflage von 295 Exemplaren zu 14 500 Euro das Stück. Da geht ein qualitativ wirklich schönes Aquarell des einstigen Literaturnobelpreisträgers Hermann Hesse für 36 000 Euro bei Ludorff fast unter. Aber Qualität liegt bekanntlich im Auge des Betrachters respektive des Käufers.

Großer Aufmerksamkeit erfreuen sich in diesem Jahr Künstlerinnen. Für Wirtz ein weiterer Ausdruck für den Erfolg der Messe. Mit leuchtenden Augen verweist sie auf die Grandes Dames der aktuellen Kunst wie Miriam Cahn oder Cindy Sherman und auf Künstlerinnen wie Käthe Kollwitz, Tamara de Lempicka oder Hannah Höch. „Die Künstlerinnen des letzten Jahrhunderts mussten viele Widerstände überwinden. Und Karlsruhe ist auch in der Historie, immer schon ein starker Standort für starke Frauen.“

Zu denen gehörte zweifelsfrei auch Lotte Laserstein. Neun ihrer eindrücklichen Porträts offeriert Nöth. Bleistiftzeichnungen beginnen bei 8000 Euro, bei den Ölbildern kosten zwei Akte (Chikita, Tänzerin) jeweils 27 000 Euro und das um 1933 entstandene „Maler mit Schafen in den Dünen“ 75 000 Euro. Françoise Gilot ist nicht als eine von Picassos Musen zu sehen, sondern als Malerin präsent. Die Várfok Galéria aus Budapest zeigt kraftvoll flächige Ölbilder, Aquarelle und Monotypien der Französin, die heute, 98-jährig in New York lebt.

Jede Menge Verkäufe

Die Galerie Ludorff wagt die kühne Kombination von Karin Kneffel und Max Liebermann – preisgleich zu je 225 000 Euro und Johann König widmet Annette Kelm eine Einzelpräsentation mit konzeptuellen Fotoarbeiten. Auffallend stark bei Etienne Gallery aus den Niederlanden: Fabrizius2. Sie bedienen sich altmeisterlicher Lasurtechniken und sind mit ihren lichttrunkenen, abstrakten Landschaften (je 25 500 Euro) zugleich ganz heutig. Der Name steht für Irina und Marina Fabrizius, eineiige Zwillinge, die 2015 ihren Abschluss an der Kunstakademie Düsseldorf machten – und vierhändig malen. Eine der farbintensiven Leinwände war schon am ersten Nachmittag verkauft.

Wie überhaupt die Käuferlaune beeindruckt. Jede Menge rote Punkte, und Menschen mit Luftpolsterpaketen strömen durch die Hallen. In dieser Hinsicht scheint das Konzept der Art Karlsruhe aufzugehen. Schönheit und Erkenntnis vor Rendite und Spekulation. Das mag ein Grund dafür sein, dass global player in Karlsruhe weiterhin rar sind. „Aber einige, die früher gelästert haben“, sagt der Berliner Galerist Werner Tammen, „wollen nun einen Fuß in die badische Metropole bekommen, um die Kundschaft des Südwestens zu bedienen“.

Art Karlsruhe, Messe Karlsruhe, bis 16. 2., www.art-karlsruhe.de

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